Zunächst ein kleiner Nachsatz zu meinem Posting.
Ich hatte mich dort verschrieben, als ich von der "Familie Grünenthal" als eine der reichsten Familien gesprochen habe. Es musste natürlich heißen "Familie Wirtz". Ihr gehört das Unternehmen Grünenthal. Habe den Fehler erst heute bemerkt.
@Obywatel
Da muss ich Dich widersprechen.
Entgegen Deiner Aussage, die Firma hätte damals alles richtig gemacht, steht heute fest, dass es schon
während der Entwicklungsarbeiten zu Contergan etliche Hinweise auf beträchtliche Nebenwirkungen gegeben hatte. Der damals leitende Entwicklungschef hatte immer wieder darauf hingewiesen und weitere Untersuchungen gefordert. Diese wurden allerdings aus Kostengründen von der Firmenleitung abgelehnt. Und auch noch aus einem anderen Grund, der um einiges wichtiger war. Contergan war zum damaligen Zeitpunkt das
erste Schlafmittel, bei dem es zu keiner tödlichen Überdosierung kommen konnte. Und dies bedeutete für Grünenthal einen ganz gewaltigen Marktvorteil, den sich das Unternehmen nicht nehmen lassen wollte. Die Umsätze von Contergan bestätigen dies sehr eindrucksvoll.
Auch gab es schon kurz nach der Zulassung von Contergan duch etliche Ärzte Bedenken, die sie auch gegenüber Grünenthal äusserten. Aber auch jetzt kam es zu keiner entsprechenden Handlung durch die Firmenleitung.
Ganz im Gegenteil: diese Ärzte wurden bedroht, schikaniert, teilweise öffentlich diffamiert, es gab Morddrohungen. (Übrigens kein Einzelfall in der Pharma-Industrie) Warum wohl? Weil es um Profit ging. Immerhin kostet die Entwicklung eines neuen Medikaments Millionen und dauert Jahre.
Dieses Geld will jedes Unternehmen schnellstmöglich wieder reinholen.
Und wie die Pharma-Industrie arbeitet und wie stark ihr Profitdenken ist, sei einmal an einem anderen Beispiel aufgezeigt, nämlich bei Krebs. Heute immer noch eine Geissel der Menschheit.
Für die Pharmaindustrie aber, so zynisch das klingt, ein Segen, jedenfalls ein finanzieller. Sie machen nämlich Milliarden mit dem Kampf der Kranken gegen Krebs. Jeder Fortschritt bei der Entwicklung neuer Medikamente ist natürlich zu begrüßen, jede wirkliche Hilfe ein Heilsbringer. Das aber lässt sich die Industrie reichlich vergolden.
Zum Beispiel der Wirkstoff Thalidomid, eben dem Wirkstoff, der auch bei Contergan eine wichtige Rolle spielte. Er verhindert die Neubildung von Blutgefäßen. In Contergan war das der Horror schlechthin, wodurch es ja zu den Missbildungen bei Föten kam. Doch dann entdeckte man, dass mit dieser Eigenschaft - also der Neubildung von Blutgefäßen - auch Tumorzellen quasi ausgetrocknet werden können. Und siehe da - der fast identische Stoff verhundertfachte sich im Preis. Und an diesem Milliarden-Geschäft mit dem Krebs ist auch so mancher Arzt beteiligt.
Anfang Oktober 2007 fand der Krebskongress in Basel statt. Die Pharmaindustrie bewirtete und verwöhnte dort 3.000 Krebsspezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Denen wollten nämlich so gut wie alle namhaften Hersteller ihre Produkte vorstellen und anbieten. Schwer zu entscheiden, was hier wichtiger ist:
Wissenschaft oder Unterhaltung.
Die Ärzte zahlen an den Kongresstagen keine müde Mark.
Manche Firmen mieten ganze Etagen an, in denen dann die Ärzte von morgens bis abends verhätschelt werden. Darunter sind Professoren, Chefärzte, Oberärzte, also genau diejenigen, die zukünftig entscheiden, welche Medikamente verschrieben werden. Und die werden dann auch verschrieben, die Ärzte wollen ja weiter von ihren Firmen hofiert werden.
Im Krebsgeschäft werden fantastische Wachstumsraten erzielt und alles spricht dafür, dass das auch so bleibt.
Experten sagen z.B. der Firma Celgene millionenschwere Umsätze mit einem Blutkrebs-Medikament voraus. Seit Jahrzehnten existiert es schon als - jawohl, Thalidomid! Seit wenigen Monaten ist es in Deutschland unter neuem Namen aber mit
kaum verändertem Wirkstoff auf dem Markt. Der heißt jetzt: Lenalidomid. Der Unterschied ist winzig klein. Jeder Pharmaziestudent, der im organischen Semester ist, kann nach Kochanleitung Thalidomid herstellen, er kann auch Lenadilomid herstellen.
Kein großer Aufwand bei der Herstellung, sagen Toxikologen. Aber seit aus Thalidomid jetzt Lenadilomid wurde, ist der Preis regelrecht explodiert.
Eine Kapsel Thalidomid, importiert aus England, kostet in der Apotheke 3,79 Euro. Und eine Kapsel Lenalindomid mit 25 mg kostet das Hundertfache - nämlich 379 Euro. Schweinerei! Diese Preistreiberei ist nämlich aus der Chemie nicht zu erklären.
Und nur in Deutschland können Pharmakonzerne die Preise frei festsetzen, ohne Transparenz und ohne Kostenkontrolle. Die Kassen müssen zahlen. Also wir alle.
In einem anderen Fall setzt die Firma Roche Milliarden mit ihrem Krebsmittel Avatin um. Für dieses Mittel gewährt die Firma Krankenhäusern und Kliniken Rabatt an, aber nur, wenn sich die Klinik-Ärzte bereit erklären dieses Brustkrebsmittel mindestens 6 Monate lang den Patientinnen zu verabreichen.
---------- Okay, lassen wir das. Ist hier wahrscheinlich etwas am Thema vorbei. Und wenn ich mich hier weiter auslasse, bekomme ich einen Herzkasper. Wer weiß, was die dann mit mir im Krankenhaus so machen.
Aber nochmals kurz zurück zu Contergan.
Warum muss die Allgemeinheit die Kosten übernehmen, wie Du schreibst?
Was ist denn mit anderen Produkten? Was ist mit fehlerhaften Autos, die von den Unternehmen zurückgerufen werden? Was ist mit Alete-Kinderbrei, der vor Wochen aus den Regalen verschwunden ist? Was mit verseuchtem Kinderspielzeug aus China? Wer hat denn in diesen Fällen die Kosten zu tragen gehabt? Soweit mir bekannt nur die Hersteller, oder nicht?
Also, nochmals mein Frage: "Warum soll die Allgemeinheit ein von Profitgier gesteuertes Fehlverhalten der Pharmaindustrie tragen?"