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Darek

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1

Donnerstag, 8. November 2007, 10:10

Geht Profit vor Gesundheit?

Diese Frage muss man sich eigentlich stellen, wenn man gestern abend den ersten Teil des Films "Contergan" gesehen hat.

Es ist für mich schon eine himmelschreiende Unverschämtheit, wenn ein Pharmakonzern, wie die Grünenthal GmbH, ein Medikament auf den Markt bringt, sich später aus der Verantwortung stiehlt und der Steuerzahler die Folgen der Profitgier des Unternehmens bezahlen muss.

Für diejenigen unter Euch, die den Film nicht gesehen haben, folgendes:

Nachdem bekannt wurde (1960), dass Contergan bei Neugeborenen zu Mißbildungen geführt hat, wurde dem Unternehmen der Prozeß gemacht - könnte man denken.
Falsch gedacht.

Das langwierige Verfahren (allein bis zur Anklage vergingen knapp 6 Jahre) wurde später wegen "geringer Schuld" eingestellt. Das Unternehmen verpflichtete sich aber, 110 Millionen DM in einen speziell hierfür einzurichtenden Fonds einzuzahlen. Was letztlich auch getan wurde.

Nur - auch der Staat verpflichtete sich damals zu einer Zahlung in Höhe von 110 Millionen DM!! Und bis heute wurden nochmals ca. 110 Millionen nachgeschoßen - vom Staat, wohlgemerkt.

Allerdings ist das Geld aus diesem Fonds seit ca. 10 Jahren aufgebraucht, das Unternehmen schweigt seit diesen 10 Jahren und der liebe Steuerzahler darf zahlen, zahlen, zahlen...., d.h., wir alle zahlen für die Profitgier des Unternehmens. (Daher auch die weiteren 110 Millionen, wie bereits oben schon erwähnt)

Allerdings muss man hier erwähnen, das die sogenanten Contergan-Opfer ohne die staatliche Unterstützung überhaupt nicht leben könnten - finanziell meine ich.
Die meisten von ihnen erhalten eine lächerlich Rente von maximal 545,-- Euro. Und meistens ist dies eine Zahlung im Rahmen von Hartz IV.
Anfragen hierzu bei Grünenthal wurden lapidar mit der Bemerkung abgetan, "derzeit" sei nichts geplant, um den Opfern zu helfen. Schweinerei, finde ich. Dieses "derzeit" bezieht sich immerhin auf die letzten 10 Jahre. Und das Unternehmen scheffelt Gewinne ohne Ende. (Die Familie Grünenthal steht im Moment auf Platz 36 der reichsten Familien weltweit.)

Anders in England. Dort war und ist das Unternehmen, das seinerzeit die Vermarktung von Contergan dort übernommen hatte, nach wie vor bereit, den Opfern zu helfen. Auch dort wurde damals ein Fonds eingerichtet, der allerdings immer wieder aufgestockt wurde/wird. Somit können in England die Contergan-Opfer auf die "stolze" Entschädigung in Höhe von ca. 2.000 Euro monatlich zugreifen.

Auf die Frage an den heutigen Geschäftsführer von Grünenthal, (ein Enkel vom damaligen Gründer), ob er denn schon einmal Gespräche mit Contergan-Opfern geführt hätte oder schon einmal ein Contergan-Opfer persönlich gesehen hätte, antwortet er nur mit einem knappen "Nein" und "... dies wäre angesichts des derzeitigen "Trubels" um den Film auch sicherlich für beide Seiten sehr schwierig."
Na, vielen Dank auch für diese tolle Antwort :spadaj

Nebenbei bemerkt: ca. 40 % des Unternehmensgewinns steckt das Unternehmen in die Werbung / Vermarktung ihrer Produkte und nur ca. 10 % in die Erforschung / Prüfung ihrer Produkte.

Ich kann nur sagen, dass, solange die einzelnen Pharmakonzerne ihre Produkte selbst als unbedenklich oder bedenklich einstufen können, sich an dieser Sache nichts ändern wird.

Ich bin zwar nicht für noch mehr Überprüfung durch den Staat, aber hier läuft dennoch irgend etwas ganz gehörig schief....

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Packungsbeilage, oder fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker - besser nicht.

Der 2. Teil des Film wird heute abend ausgestrahlt. 20.15 Uhr, im Ersten.
Signatur von »Darek« Wer schweigt, trägt Schuld an den Zuständen, die er beklagt!
Und wer vergisst ist verurteilt, dasselbe noch einmal zu erleben!

2

Sonntag, 11. November 2007, 00:20

RE: Geht Profit vor Gesundheit?

Das Unternehmen hat damals alles rechtmässig gemacht und alle Test und Normen eingehalten, eigentlich kann man froh sein dass sie die Summe überhaupt zur Verfügung gestellt haben. Dass der Staat die Erkrankten, wie die Erkrankten aus anderen Gründen unterstützt und die Steuerzahler belastet, ist hier kein Argument.
Vorwürfe sollte man an damalige Gesetze zu Medikamenten richten bzw. deren "Beschliesser".
Soll man die zur Entschädigung und Zahlung für alle Folgen von Medikamenten verpflichten, die damals allen gesetzlichen Normen entsprochen haben?
Wie soll das gehen? In paar Jahren werden sich alle möglichen Gesetze ändern, man kann doch niemanden rückwirkend wegen neuen Gesetzen verurteilen.

Das Einzige was man aus der Sache mitnehmen kann ist, dass man im Zweifel mehr Tests und Vorschriften für Medikamente vorsieht als man unbedingt bräuchte. So zu sagen im Zweifel gegen das Medikament, vor allem wenn es so ein Schlafmittel ist.
Aber auch da darf man es nicht übertreiben, ohne ein gewisses Risiko einzugehen, werden viele Leidende nie etwas Neues ausprobieren können und auch Schlafprobleme sind eine erhebliche Beeinträchtigung.
Ich würde es auch schön finden wenn sie heute etwas Geld springen lassen würden, aber da sie zum Teil Fremdkapitalfinaziert sind, würde es mich wundern wenn die Kapitalgeber da ihr OK geben.
Welche Begehrlichkeiten das weckt wenn man was gibt, ist dann dann ein anderes Thema.

Solange aber Zwangsarbeiter, oder die die noch übrig sind nach 60 Jahren, ihre 1,3 Cent pro Stunde als Entschädigung kriegen, wird sowas wie Entschädigung wegen (aus Fahrlässigkeit oder Unkenntnis resultierenden) Folgen aus gesetzesgemässen Medikamenten, noch lange auf sich warten lassen.
Signatur von »Obywatel GG« Naród wspaniały, tylko ludzie k*rwy. Autor: Józef Piłsudski

Darek

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3

Sonntag, 11. November 2007, 14:02

Zunächst ein kleiner Nachsatz zu meinem Posting.
Ich hatte mich dort verschrieben, als ich von der "Familie Grünenthal" als eine der reichsten Familien gesprochen habe. Es musste natürlich heißen "Familie Wirtz". Ihr gehört das Unternehmen Grünenthal. Habe den Fehler erst heute bemerkt.

@Obywatel

Da muss ich Dich widersprechen.
Entgegen Deiner Aussage, die Firma hätte damals alles richtig gemacht, steht heute fest, dass es schon während der Entwicklungsarbeiten zu Contergan etliche Hinweise auf beträchtliche Nebenwirkungen gegeben hatte. Der damals leitende Entwicklungschef hatte immer wieder darauf hingewiesen und weitere Untersuchungen gefordert. Diese wurden allerdings aus Kostengründen von der Firmenleitung abgelehnt. Und auch noch aus einem anderen Grund, der um einiges wichtiger war. Contergan war zum damaligen Zeitpunkt das erste Schlafmittel, bei dem es zu keiner tödlichen Überdosierung kommen konnte. Und dies bedeutete für Grünenthal einen ganz gewaltigen Marktvorteil, den sich das Unternehmen nicht nehmen lassen wollte. Die Umsätze von Contergan bestätigen dies sehr eindrucksvoll.

Auch gab es schon kurz nach der Zulassung von Contergan duch etliche Ärzte Bedenken, die sie auch gegenüber Grünenthal äusserten. Aber auch jetzt kam es zu keiner entsprechenden Handlung durch die Firmenleitung.
Ganz im Gegenteil: diese Ärzte wurden bedroht, schikaniert, teilweise öffentlich diffamiert, es gab Morddrohungen. (Übrigens kein Einzelfall in der Pharma-Industrie) Warum wohl? Weil es um Profit ging. Immerhin kostet die Entwicklung eines neuen Medikaments Millionen und dauert Jahre.
Dieses Geld will jedes Unternehmen schnellstmöglich wieder reinholen.

Und wie die Pharma-Industrie arbeitet und wie stark ihr Profitdenken ist, sei einmal an einem anderen Beispiel aufgezeigt, nämlich bei Krebs. Heute immer noch eine Geissel der Menschheit.
Für die Pharmaindustrie aber, so zynisch das klingt, ein Segen, jedenfalls ein finanzieller. Sie machen nämlich Milliarden mit dem Kampf der Kranken gegen Krebs. Jeder Fortschritt bei der Entwicklung neuer Medikamente ist natürlich zu begrüßen, jede wirkliche Hilfe ein Heilsbringer. Das aber lässt sich die Industrie reichlich vergolden.
Zum Beispiel der Wirkstoff Thalidomid, eben dem Wirkstoff, der auch bei Contergan eine wichtige Rolle spielte. Er verhindert die Neubildung von Blutgefäßen. In Contergan war das der Horror schlechthin, wodurch es ja zu den Missbildungen bei Föten kam. Doch dann entdeckte man, dass mit dieser Eigenschaft - also der Neubildung von Blutgefäßen - auch Tumorzellen quasi ausgetrocknet werden können. Und siehe da - der fast identische Stoff verhundertfachte sich im Preis. Und an diesem Milliarden-Geschäft mit dem Krebs ist auch so mancher Arzt beteiligt.

Anfang Oktober 2007 fand der Krebskongress in Basel statt. Die Pharmaindustrie bewirtete und verwöhnte dort 3.000 Krebsspezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Denen wollten nämlich so gut wie alle namhaften Hersteller ihre Produkte vorstellen und anbieten. Schwer zu entscheiden, was hier wichtiger ist:
Wissenschaft oder Unterhaltung.

Die Ärzte zahlen an den Kongresstagen keine müde Mark.
Manche Firmen mieten ganze Etagen an, in denen dann die Ärzte von morgens bis abends verhätschelt werden. Darunter sind Professoren, Chefärzte, Oberärzte, also genau diejenigen, die zukünftig entscheiden, welche Medikamente verschrieben werden. Und die werden dann auch verschrieben, die Ärzte wollen ja weiter von ihren Firmen hofiert werden.

Im Krebsgeschäft werden fantastische Wachstumsraten erzielt und alles spricht dafür, dass das auch so bleibt.
Experten sagen z.B. der Firma Celgene millionenschwere Umsätze mit einem Blutkrebs-Medikament voraus. Seit Jahrzehnten existiert es schon als - jawohl, Thalidomid! Seit wenigen Monaten ist es in Deutschland unter neuem Namen aber mit
kaum verändertem Wirkstoff auf dem Markt. Der heißt jetzt: Lenalidomid. Der Unterschied ist winzig klein. Jeder Pharmaziestudent, der im organischen Semester ist, kann nach Kochanleitung Thalidomid herstellen, er kann auch Lenadilomid herstellen.
Kein großer Aufwand bei der Herstellung, sagen Toxikologen. Aber seit aus Thalidomid jetzt Lenadilomid wurde, ist der Preis regelrecht explodiert.
Eine Kapsel Thalidomid, importiert aus England, kostet in der Apotheke 3,79 Euro. Und eine Kapsel Lenalindomid mit 25 mg kostet das Hundertfache - nämlich 379 Euro. Schweinerei! Diese Preistreiberei ist nämlich aus der Chemie nicht zu erklären.

Und nur in Deutschland können Pharmakonzerne die Preise frei festsetzen, ohne Transparenz und ohne Kostenkontrolle. Die Kassen müssen zahlen. Also wir alle.

In einem anderen Fall setzt die Firma Roche Milliarden mit ihrem Krebsmittel Avatin um. Für dieses Mittel gewährt die Firma Krankenhäusern und Kliniken Rabatt an, aber nur, wenn sich die Klinik-Ärzte bereit erklären dieses Brustkrebsmittel mindestens 6 Monate lang den Patientinnen zu verabreichen.

---------- Okay, lassen wir das. Ist hier wahrscheinlich etwas am Thema vorbei. Und wenn ich mich hier weiter auslasse, bekomme ich einen Herzkasper. Wer weiß, was die dann mit mir im Krankenhaus so machen. :mysli :spadaj

Aber nochmals kurz zurück zu Contergan.
Warum muss die Allgemeinheit die Kosten übernehmen, wie Du schreibst?

Was ist denn mit anderen Produkten? Was ist mit fehlerhaften Autos, die von den Unternehmen zurückgerufen werden? Was ist mit Alete-Kinderbrei, der vor Wochen aus den Regalen verschwunden ist? Was mit verseuchtem Kinderspielzeug aus China? Wer hat denn in diesen Fällen die Kosten zu tragen gehabt? Soweit mir bekannt nur die Hersteller, oder nicht?

Also, nochmals mein Frage: "Warum soll die Allgemeinheit ein von Profitgier gesteuertes Fehlverhalten der Pharmaindustrie tragen?"
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Sonntag, 11. November 2007, 14:04

in meinem Posting muss es natürlich heißen: Da muss ich Dir widersprechen ... :oczko
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