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Donnerstag, 16. August 2007, 13:45

Über das schwierige Verhältnis der Polen zu Deutschland

Zitat

Polen haben immer noch große Angst vor den Deutschen, trotz aller Versöhnungsanstrengungen von beiden Seiten. Dabei ist es weniger das Verhalten der Deutschen, das bei den Polen für Unruhe sorgt, als die Politik des deutschen Staates. So erklären 60 Prozent der Polen, dass sie die Deutschen sympathisch finden. Und dies in einer Zeit, in der sich die deutsch-polnischen Beziehungen erneut verschlechtert haben. Der deutsche Staat weckt bei vielen Polen ähnliche Ängste wie der polnische Staat bei vielen Litauern. Es ist die Angst, die Bürger kleiner und mittlerer Staates gegenüber wesentlich mächtigeren Staaten verspüren. Die Erinnerung an die Vergangenheit spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Zum Teil bestimmt und überlagert sie sogar die aktuelle Politik.

Bei den Polen kommt eine bestimmte Politik des deutschen Staates gar nicht gut an. Wenn Deutsche beispielsweise über die Köpfe der Polen hinweg mit den Russen verhandeln und mit ihnen Bündnisse schließen. Viele Polen sind davon überzeugt, dass die Deutschen nach wie vor dazu neigen. Dass sie also die Prinzipien der europäischen Solidarität nur dann Ernst nehmen, wenn sie für Deutschland nützlich ist.

Zwar verbesserte sich die Atmosphäre zwischen unseren Regierungen etwas, nachdem Kanzlerin Merkel die Polen gegenüber den Russen unterstützte, die kein Fleisch mehr aus Polen kaufen wollen. Doch die deutsch-russische Gaspipeline am Boden der Ostsee, die Polen umgehen soll, ist nach wie vor aktuell und vergiftet die Atmosphäre. Viele Polen sind auch der Meinung, dass die deutsche Regierung die Vertriebenenforderungen nach Eigentumsrückgabe nicht scharf genug verdamme. Zudem ist in Polen die Stimme Erika Steinbachs, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, viel lauter zu hören als die eines jeden anderen deutschen Politikers.

Polen will kein zweitrangiger Staat sein

Die Deutschen wiederum halten Polen zwar für einen wichtigen Staat, der aber auf EU-Ebene nur eine zweitrangige Position einnimmt. Verständlicherweise möchten die Polen nicht als zweitrangiger Staat gelten. Daher tun sie alles, um nicht als solcher behandelt zu werden. Die polnische Regierung kämpft erbittert um den Platz Polens in der Europäischen Gemeinschaft. Sie tut dies in einer Form, die sowohl in der EU als auch in Polen für Kontroversen sorgt. Dass polnische Politiker polnische Interessen vertreten und ein für Polen günstiges Abstimmungssystem fordern, ist eine eher normale Sache. Problematisch ist nur, dass die Argumentation nicht immer ganz rational und daher wenig erfolgreich ist. Doch immerhin konnte Polens Regierung schlüssig nachweisen, dass die Bevölkerungszahl eines Landes nicht das beste Maß für die Stimmengewichtung in der EU ist.

Im Zweiten Weltkrieg verloren rund sechs Millionen Bürger Polens ihr Leben. In einem Krieg, der von den Deutschen entfesselt wurde. Schewach Weiss, der einstige Knesset-Vorsitzende und Botschafter Israels in Polen, ist der Ansicht, dass ohne diesen Krieg heute rund 70 Millionen Bürger in Polen leben würden, darunter zehn Millionen Juden. Polens Position in Europa wäre also wesentlich stärker. Premier Jaroslaw Kaczynski schätzt diese Zahl auf 66 Millionen. Diese Argumentation wurde in Polen verschieden aufgenommen. Ein großer Teil der öffentlichen Meinung hält sie für irrational und anachronistisch. Doch das Übergehen der Kriegszerstörungen und des deutschen Vernichtungskrieges in Polen durch EU-Staaten verletzt und empört viele Polen aufs Tiefste.

Für Spannungen zwischen Polen und der EU sorgen zur Zeit vor allem ethische Fragen. Da die Unterschiede in den Wertvorstellungen prinzipieller Natur sind, trennen sie Polen vom größten Teil der europäischen Staaten. Die Kaczynski-Brüder können aufgrund ihrer national-konservativen Orientierung nichts anfangen mit dem Wertesystem, wie es der EU-Grundrechte-Charta zugrundeliegt. Wichtig für die Kaczynskis ist daher vor allem die Autonomie Polens in moralischen Fragen. Leitfunktion hat für sie die katholische Kirche, insbesondere, wenn es um Fragen wie Abtreibung und die Ehe von Homosexuellen geht. In Regierungskreisen hält sich die Überzeugung, dass die EU-Grundrechte-Charta die moralische Autonomie Polens bedrohe. Zwar sind die Opposition und ein großer Teil der polnischen Öffentlichkeit in dieser Frage anderer Ansicht, aber es ist nicht die Opposition, die zur Zeit Polens Außenpolitik macht..

Frankreich taugt nicht als Vorbild

Die deutsch-französische Versöhnung kann nach Meinung der Kaczynskis und ihrer Parteianhänger kein Vorbild für die deutsch-polnische Versöhnung sein. Okkupation und Krieg hatten im Osten Europas einen völlig anderen Charakter als im Westen. Viele Polen meinen zudem, dass sich die Deutschen heute als "Opfernation" verstünden. Das wird als fundamentale Fälschung der Geschichte empfunden und als schlechtes Omen für die Zukunft der deutsch-polnischem Beziehungen gewertet. Polen, die eine eher liberal-demokratische oder linke Orientierung haben, interpretieren die Veränderungen in Deutschland anders und rufen die Regierung dazu auf, den unnötigen Krieg mit den Deutschen zu beenden. Sie halten den Prozess der Wiedergewinnung eines gewissen Nationalstolzes durch die Deutschen für verständlich und schätzen die Regierung Angela Merkels, die den Polen gegenüber freundlich eingestellt ist.

Auf deutscher Seite wiederum will ein Teil der öffentlichen Meinung in den Polen eine Nation sehen, die unfähig ist, sich von veralteten Ressentiments zu lösen. Dabei spielen diese Ressentiments eine immer kleinere Rolle. In den Augen eines Teils der Europäer verhalten sich Polen "frech", "irrational" oder wie "ewige Krawallmacher". In Wirklichkeit verhalten sich die Polen wie jede andere Nation auch, die um eine starke Position innerhalb einer internationalen Organisation kämpft. Nur tun dies die polnischen Politiker nicht immer im Einklang mit den Standards der europäischen Politik. Dies sollte man sich von Zeit zu Zeit vor Augen halten, statt im "frechen" Auftreten eines polnischen Politikers immer nur den Ausdruck der antideutschen und antieuropäischen Phobien der derzeitigen Regierung in Polen zu sehen.

Stefan Chwim, Jahrgang 1949, lebt als Schriftsteller in Danzig. Er ist Chronist der deutsch-polnischen Geschichte in der Hafenstadt und wird häufig mit Günter Grass verglichen. Die Übersetzung des Textes besorgte die Warschauer MAZ-Korrespondentin Gabriele Lesser.


Quelle >>>

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Donnerstag, 16. August 2007, 16:42

RE: Über das schwierige Verhältnis der Polen zu Deutschland

Und? Meinungen dazu?

Mir scheint es, daß der Herr Stefan Chwim zwar in Danzig lebt, aber die Schreibaufträge bekommt er wohl aus dem Außenministerium in Warschau. Aber vielleicht kommt es mir nur so vor? :mysli

Bei der Kurzdarstellung von Herrn Chwim fehlt mir übrigens das in solchen Fällen sehr häufig benutzte Wort "unabhängig". Er lebt als unabhängiger Schriftsteller in Danzig. Bin ich überempfindlich?

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Turbot« (19. August 2007, 21:08)


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