Hallo Mulder,
während ich deinen Beitrag durchlas, war ich die ganze Zeit am Überlegen, worauf du jetzt eigentlich hinaus willst, d.h. welchem konkreteren Thema sich dieser Thread zuordnen lässt. Bis ich dann wieder nach oben schaute und noch mal den Titel las: "Alles in einem Abwasch". Also gut, warum nicht? Rein hier mit allem, was euch auf der Seele lastet.
Na ja, ein gewisses Kernthema sehe ich eigentlich doch, das man vielleicht so beschreiben könnte:
"Die rasante Veränderung unserer Lebensbedingungen und Einstellungen durch die Computerisierung unter besonderer Berücksichtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen".
Das 20. Jh. stand technisch gesehen unter dem Motto "Verkehrsmäßige Erschließung der Welt", und fast alles, was dafür notwendig war (vor allem Auto und Flugzeug), wurde gegen Ende des 19. Jh. erfunden. Diese Entwicklung ist weitestgehend abgeschlossen, denn wesentlich schneller wird es auf unserer Erde nicht gehen. (Wer daran noch zweifelt, sei an das Schicksal der Concorde und des Transrapid erinnert: Technisch machbar ist vieles - bloß es rechnet sich einfach nicht und wird es auch nie.) Und diese Entwicklung hatte ihren Preis - die Entfremdung von der Natur.
Nun scheint es in der jüngeren Menschheitsgeschichte Mode zu werden, dass sich alles in Etappen von 100 Jahren vollzieht. Denn jene technische Erfindung, die das 21. Jh. ganz entscheidend prägen wird - das Internet -, wurde auch wenige Jahre vor der Jahrhundert-(in diesem Fall sogar der Jahrtausend-)Wende gemacht. Dazu könnte man natürlich noch den Computer ganz allgemein sowie das Handy rechnen, doch ich denke, dass dies bald alles zu einer Einheit verschmelzen wird. Wahrscheinlich wird es in spätestens 20 oder 30 Jahren Handys geben, die man auseinanderfalten kann, und dann hat man vor sich einen superflachen 17-Zoll-Bildschirm und eine superflache handgerechte Tastatur.
Paradoxerweise hat diese Entwicklung, die doch eigentlich die Kommunikation zwischen Menschen enorm erleichtert und beschleunigt, ihren Preis gerade darin, dass die zwischenmenschliche Kommunikation zunehmend auf der Strecke bleibt. Dazu auch von mir ein sehr anschauliches Beispiel: Als ich vor zwei Monaten mit dem Zug von Warschau nach Berlin zurückfuhr, betraten drei junge polnische Studenten - eine Frau und zwei Männer - mein Abteil, glotzten mich an, sagten kein Wort, setzten sich hin, packten ihre Laptops und Handys aus und waren wenige Sekunden später geistig in einer ganz anderen Welt. Ich war völlig perplex. Noch vor 15 Jahren, als ich längere Zeit in Warschau wohnte, war es geradezu
undenkbar, dass in Polen jemand ein Zugabteil betritt, in dem schon jemand sitzt, und noch nicht mal "Dzień dobry" sagt.
Nun ja, wenn ich das mal indirekt mit der Zeit vor 100 Jahren vergleiche, ist das wohl ungefähr so, wie wenn im Jahre 1908 statt einer gemütlichen Pferdekutsche plötzlich ein lärmendes stinkendes Auto angerattert kam und den am Straßenrand Stehenden den Schlamm ins Gesicht spritzte.
Die technische Entwicklung des 20. Jh. hat letztlich zu einer Gegenbewegung unter dem Generalmotto "Zurück zur Natur" geführt, die die Entwicklung zwar nicht aufhalten, aber zumindest einige ihrer schlimmsten Auswüchse abmildern und in vernünftigere Bahnen lenken konnte. Wollen wir hoffen, dass sich Ähnliches auch bald in Bezug auf den zwischenmenschlichen Umgang anbahnt.