Nur zur Information: Es handelt sich um genau jene Firma, bei der ich, wie einige von euch wissen, letzten Sommer anfangen wollte. Aufgrund eines von vornherein schwer gestörten Vertrauensverhältnisses habe ich dann aber doch davon abgesehen.
Die Hintergründe:
Im letzten Frühjahr entdeckte ich auf einer Warschauer Internetseite den Beitrag eines Users, der auf der Suche nach deutschen Muttersprachlern für seine Firma war. Das Unternehmen wirkte recht solide, und auch die in Aussicht gestellten Arbeitsbedingungen waren durchaus attraktiv, insbesondere war der Lohn für polnische Verhältnisse sehr ordentlich. Die Tätigkeit sollte vorwiegend darin bestehen, die von polnischen Übersetzern bereits grob ins Deutsche übersetzten Bedienungsanleitungen für Videospiele zu korrigieren und die einzelnen Textpassagen an den richtigen Stellen in die Spiele einzupassen.
Etwa einen Monat nachdem ich die geforderten Unterlagen (Bewerbung und Lebenslauf auf Englisch) eingesandt und einen Eignungstest bezüglich meiner Beherrschung der deutschen Schriftsprache bestanden hatte, erhielt ich via E-Mail einen englischsprachigen Vertragsentwurf (Contractual offer). Dieser enthielt keinerlei Hinweis darauf, dass es sich um einen befristeten Vertrag handeln könnte; auch von Probezeit war nicht die Rede. Dafür standen darin so Sachen wie "26 days of paid leave per year".
Mein Ansprechpartner in der Firma war ein Franzose. Auf meine Frage, nach welcher Zeitspanne ich den gesamten Jahresurlaub in Anspruch nehmen könne, erhielt ich von ihm zur Antwort: "Just like any other job in any other industry this will be discussed later." Ferner fragte ich, ob nach einer bestimmten Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mit Lohnerhöhung zu rechnen sei, worauf er antwortete, Lohnerhöhungen seien Verhandlungssache. Ich musste also davon ausgehen, dass es sich um einen unbefristeten Vertrag handeln sollte.
Das Ganze lief somit für mich auf einen Umzug nach Warschau hinaus. Arbeitsbeginn sollte am 4. August 2008 sein; um eine Unterkunft hatte ich mich selbst zu kümmern. Am 20. Juli reiste ich mit einem riesigen Koffer voller Bücher - meiner ersten "Umzugsrate" (Gewicht ca. 60 kg) - nach Warschau und nahm mir dort ein Hotel. Am darauf folgenden Tag suchte ich die Firma auf. Ein gewisser Przemek führte mich herum, zeigte mir meinen künftigen Arbeitsplatz und die anderen Abteilungen der Firma. Auch mit dem Franzosen von der Personalabteilung unterhielt ich mich kurz. Alles sah prima aus, lediglich die Anmietung einer Wohnung nahm mehr Zeit in Anspruch als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Daher reservierte ich für den gesamten Monat August einen Bungalow auf einem Campingplatz. Meine Bücher erlaubte mir Przemek einstweilen in einem Nebenraum der Firma zu lagern. Da der Koffer nur geliehen war, musste ich sie allerdings auspacken. Am übernächsten Tag erschien ich also nochmals schwer bepackt in der Firma und stapelte die Bücher in einer Zimmerecke. Anschließend unterhielt ich mich mit einem jungen Franzosen, der gleichzeitig mit mir anfangen und für die Bedienungsanleitungen auf Französisch zuständig sein sollte. Fast zufällig kamen wir schließlich auf den Vertrag zu sprechen, und er meinte, ich solle doch noch mal nachfragen, denn seines Wissens sei der Vertrag befristet. Das tat ich natürlich sofort, woraufhin mir der Franzose aus der Personalabteilung ruhig erklärte, ja, der Vertrag sei befristet. "Auf wie lange?" "Drei Monate." "Warum hast du mir das nicht eher gesagt?" "Du hast ja nicht gefragt."
Damit brach für mich natürlich erst mal einiges zusammen, und ich verabschiedete mich mit der Bemerkung, dass ich es mir unter diesen Umständen noch mal überlegen müsse und am nächsten Tag Bescheid geben würde. Zwei Kilometer weiter in einem Park ließ ich mir die Bestimmungen des Vertragsentwurfs noch einmal durch den Kopf gehen. Vor allem die "26 Tage bezahlter Jahresurlaub" kamen mir wieder in den Sinn. So etwas schreibt man doch nicht in einen Drei-Monats-Vertrag! Ziemlich aufgebracht lief ich wieder zurück in die Firma und verlangte den Personalchef zu sprechen. Der Franzose versuchte mich zunächst abzuwimmeln, indem er meinte, der sei schwer beschäftigt, doch als ich insistierte, gab er mir schließlich dessen Handynummer. Wie sich herausstellte, war der Chef der Personalabteilung ebenfalls Franzose (obwohl die Firma an sich eine polnische ist, 1994 von zwei Polen gegründet). Der warf mir dann am Handy so Nettigkeiten an den Kopf wie: "Das ist doch nur dein Traum, dass du hier dauerhaft arbeiten kannst!" und "Du hast doch überhaupt keine Erfahrung in dieser Branche!" (wie gesagt, meine Tätigkeit sollte vorwiegend im Korrigieren deutschsprachiger Texte bestehen). Außerdem erklärte er mir noch einmal ganz klar, dass es sich nicht um eine Probezeit, sondern um einen auf drei Monate befristeten Vertrag handelte. Wie sich die Sache danach weiter entwickeln würde, stünde noch in den Sternen.
Wären da nicht meine 60 kg Bücher gewesen, ich hätte die Sache sicher sofort endgültig abgeblasen. Aber die Bücher jetzt wieder einzupacken und durch die Stadt zu wuchten, überstieg meine Kräfte. Außerdem wurde die Zeit langsam knapp, denn mein Zug wartete, und da das Hotel fast doppelt so teuer gewesen war wie zwei Jahre zuvor, konnte ich mir nicht mal mehr ein Taxi leisten.
So schob ich die endgültige Entscheidung also noch ein paar Tage vor mir her. Da ich mich aber derart hintergangen fühlte, konnte ich es mir dann doch nicht verkneifen, die "Personalfranzosen" ebenfalls zu verschaukeln, indem ich sie zunächst in dem Glauben ließ, dass ich die Stelle antreten werde und dann einfach nicht erschien.
Alles in allem sind mir im Nachhinein zwei Dinge bei der ganzen Sache schleierhaft:
1.Wieso besetzt eine polnische Firma die Personalabteilung überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich mit Franzosen?
2.Wieso verhalten die sich bei der Rekrutierung von Arbeitskräften dann auch noch dermaßen beknackt - anders kann man es kaum nennen, denn so was ist doch einfach nur himmelschreiend blöd - dass sie jedes potentielle Vertrauensverhältnis von vornherein sabotieren? Ich meine, hätte ich von Anfang an gewusst, dass es sich nur um drei Monate handelt und die weitere Zukunft ungewiss ist, hätte ich den Job trotzdem gemacht. Allerdings wäre ich die Sache dann ganz anders angegangen, hätte in Berlin nicht nach Nachmietern für meine Wohnung gesucht, hätte nicht 60 kg Bücher mit nach Warschau geschleppt usw. usw. ... (Ach ja, die Bücher hat mir einen Monat später zum Glück ein Freund mit dem Auto wieder mitgebracht.)
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Matti« (29. Januar 2009, 21:33)