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Samstag, 1. August 2009, 18:05

Das Ende des Sozialstaats?

In Polen, Deutschland und anderen Ländern der Erde ächzen die Sozialkassen zunehmend unter der Wirtschaftskrise. Für Deutschland hat das RWI ein 30-Milliardendefizit bis Ende 2010 errechnet.

http://www.wiwo.de/politik/sozialkassen-…denloch-404712/

Meines Erachtens wird es eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein, die Politik wieder so zu gestalten, dass die gesellschaftliche Solidarität nicht allein vom wirtschaftlichen Wachstum abhängig ist. Was wir aber in diesem radikalen Gesellschaftsumbau wieder mehr brauchen werden, ist eine Mentalität des Ehrenamts, die uns in den letzten Jahren im Profitdenken etwas abhanden gekommen ist. Es wird darüber hinaus maßgeblich darauf ankommen, dass die Gesellschaften sich wieder mehr als Gesellschaften empfinden. Was ich damit meine, ist, dass man wieder stärker den Zusammenhalt einer Gesellschaft in allen Zusammenhängen herausstreichen muss und die individuelle Freiheit nicht mehr mit individueller Beliebigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Anderen verwechseln darf. Das Ende des Sozialstaats? Ja und Nein.
Nach meiner Einschätzung können die notwendigen Veränderungen zu einer engagierten und solidarischen Bürgergesellschaft führen, die sich wieder verstärkt als eine Lebenseinheit begreift. Sollte sich eine solche Gesellschaft in den nächsten Jahren entwickeln, wäre ich sehr dankbar für diese Krise. Sollten die Menschen sich aber vom Prozess der Individualisierung nicht etwas lösen können, sehe ich schwarz für die Zukunft.

Falk

Egalisator und Co-Admin

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2

Sonntag, 2. August 2009, 00:46

RE: Das Ende des Sozialstaats?

Zitat

Original von Mulder
...Sollten die Menschen sich aber vom Prozess der Individualisierung nicht etwas lösen können, sehe ich schwarz für die Zukunft.


genau da liegt das problem. es gibt zu wenige menschen, die ueber ihre eigene nasenspitze hinaus denken.
und am ende ist jedem das eigene hemd am naechsten.

unsere westliche "zivilisierte" gesellschaft hat sich da leider in eine sackgasse manoevriert und ueber zu lange zeit ein falsches profitorientiertes ideal propagiert.
eine umkehr sehe ich als utopisch an... schoenes gedankenspiel, aber leider unmoeglich. was nicht heissen soll, dass wir im kleinen kreis nicht auf vernuenftige solidaritaeten hinarbeiten sollten...
Signatur von »Falk«

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FrankPL

unregistriert

3

Sonntag, 2. August 2009, 08:00

RE: Das Ende des Sozialstaats?

Nachdem ich gestern diesen Thread gelesen hatte, grübelte ich lange darüber nach, wie ich darauf antworten könnte. Ich denke, dass wir es hier mit einem sehr komplexen und zudem äußerst brisanten Thema zu tun haben. Eine abschließende Feststellung ob "Ende des Sozialstaates" oder nicht, werden wir hier meiner Ansicht nach nicht machen können.

Grundsätzlich denke ich, dass ein Ende des bisher gekannten Sozialstaates abzusehen ist. Die Gründe dafür sind jedoch nicht mit wenigen Worten erklärt. Solange sich das System an der immer wieder gern zitierten Gewinnmaximierung orientiert, wird es keine Veränderung zu mehr Sozialität geben. Wohlgemerkt, ich schreibe von Gewinnmaximierung, nicht Gewinnoptimierung! Denn Gewinnoptimierung beinhaltet auch eine Nachhaltigkeit, die meiner Meinung nach nur dann erreicht werden kann, wenn eine stabile Basis besteht, die unter optimalen Voraussetzungen von Allen getragen wird.

Die optimalen Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben, und ich glaube nicht, dass wir sie jemals noch einmal etablieren können. Ich will und kann einfach nicht davon ausgehen, dass es in näherer Zukunft Ereignisse geben wird, die die Menschen aufwecken und ihnen bewusst machen werden, dass ein Umdenken zwingend notwendig ist.
Solange es möglich ist, dass jeder Mensch sich für Geld ALLES kaufen kann, solange wird es keine gesellschaftliche Gemeinschaft und und keine wirklich soziale Solidarität geben.

Die Problematik beginnt im familiären Rahmen bei der kritikfreien Erziehung zum Konsumenten, setzt sich fort über die nicht vorhandene bzw. oftmals nur sehr schwach sichtbare proaktive Integration von Menschen anderer Nationalitäten und auch der Akzeptanz des Integrationswillens dieser Menschen (sofern er denn vorhanden ist); und es endet nicht unbedingt bei der Kapitalabschöpfung der großen Unternehmen.

Vor vielen Jahren habe ich mal den Spruch "Think global but act local" - "Denke global aber agiere lokal" gehört. Damals wusste ich nicht viel mit dieser Aussage anzufangen, heute erahne ich dahinter eine gewisse Weitsicht, die durchaus Sinn machen könnte.

Und wie war es doch immer wieder in der Menschheitsgeschichte? Wurde nicht eigentlich jeder Krieg aus wirtschftlichen Gründen geführt? Noch sehe ich keine Gefahr für einen nächsten Krieg. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass wir auf einen solchen zusteuern, wenn es weltweit kein Umdenken gibt und die Menschheit sich weiterhin so verhält wie bisher. Soziale Unruhen werden unterschwellig schon lange in der Form angekündigt, dass die Überwachung der Menschen immer weiter ausgebaut und intensiviert wird und zudem Präventivmaßnahmen zum Schutze der Demokratie und ihrer Gesellschaft durchgesetzt werden sollen, das auch ohne Wissen und somit Einverständnis der betroffenen Bevölkerung.

So, das war es erst mal von mir dazu ... könnte aber noch mehr kommen.
Schönen Sonntag für Euch alle!

Frank

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »FrankPL« (2. August 2009, 08:18)


4

Sonntag, 2. August 2009, 09:32

@Falk

Ich hoffe darauf, dass der Mensch in Krisen, die wirklich weh tun, zur Einsicht neigt und dann Dinge verändern kann. Dass jedem das eigene Hemd näher ist, muss ja kein Nachteil sein, wenn die gemeinsame Einsicht da ist, dass ich mir nur ein eigenes Hemd leisten kann, wenn meine Umgebung auch davon etwas hat.

@FrankPL

Auch wenn sich dieses Thema nicht kurz abhandeln lässt, wie du schreibst, so hast du doch viele Nägel auf die richtigen Köpfe gehauen. Ich stimme dir hundertprozentig zu. Vielleicht noch als Ergänzung...

Ein soziales Bewusstsein des Einzelnen beginnt in der Familie, entwickelt sich hier unter Geschwistern weiter und mündet in das Schulleben und Beruflsleben. Das Leben jedes Einzelnen wird später automatisch globaler, aber wenn die Erziehung und das Aufwachsen dem Einzelnen keine sozialen Inhalte mitgegeben hat, ist das später schwer korrigierbar. Soziale Kompetenzen sind nur zu einem Teil erlernbar, ein anderer Teil hat sich in der Regel durch Erziehung und Erfahrung gebildet. Beim lernbaren Teil muss die soziale Kompetenz des Lehrers, Ausbilders oder auch Politikers später den Rahmen wieder richtig setzen. Wenn aber eine Gesellschaft falsche Werte lebt, spiegelt sich das allerdings auch ganz in ihr wieder. Je mehr Korrekturarbeiten hier notwendig sind, um so mehr dauert das ganze. Aber anfangen muss man irgendwann damit...und zwar auf breiter Basis.

FrankPL

unregistriert

5

Sonntag, 2. August 2009, 10:21

Klar, man muss irgendwann anfangen .... auf breiter Basis!

Meine nächste Frage aber ist dann:
Wo findest Du diese breite Basis? Ich denke, sie ist zur Zeit nicht in der Breite vorhanden, wie es notwendig wäre, um da Änderungen herbeiführen zu können. Diejenigen, die die "Basisarbeit" eigentlich erledigen müssten, sind doch gerade die Verantwortlichen, denen der Konsum mit all seinen vermeintlichen Vorteilen am besten (oder vielleicht doch am leichtesten?) vermittelbar zu sein scheint.

Die Menschen, die heute basisorientierte Erziehungsverantwortung haben sollten, sind doch die, die schon nicht mehr in der Lage sind, die "wirklich wichtigen" Werte zu vermitteln. Läuft es also doch darauf hinaus, dass erst einmal wieder alles zerstört werden muss, bevor ein vernünftiger, echter und werteorientierter Neuanfang gemacht werden kann?

Ich sehe momentan keine Möglichkeit, die vorhandenen Gegebenheiten in der nötigen Weise zu verändern. Denn die erforderliche breite Bereitschaft und Unterstützung dazu ist für mich nicht sichtbar.

Möglicherweise bin ich blind ..., wo sind die richtigen Ansätze zu sehen, dass wir auch hier mit Überzeugung sagen können "back to the roots" funktioniert? Ich bin da etwas ratlos, ganz ehrlich!

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »FrankPL« (2. August 2009, 10:22)


6

Sonntag, 2. August 2009, 10:57

Ich glaube, man muss die Leute mehr mitnehmen und ihnen die zukünftigen Konsequenzen ihres egozentrierten Handelns deutlicher machen. Die größte Gefahr besteht allerdings darin, dass diese Krise ihre Wirkung schleichend über die nächsten Jahre entfaltet.

7

Sonntag, 2. August 2009, 12:20

Leider, die Politiker und vor allem die Bank Manager (Gier ist geil!) "vermitteln" uns eine "Sicht" auf das Leben, die uns, die Gesellschaft, ja sogar den ganzen Planeten auf die Dauer kaputt machen wird!:(
Wie Ihr schon geschrieben habt, nur eine große Kriese wird die Menschen zur Vernunft wieder bringen und das ist leider sehr traurig!
Signatur von »elLopo«
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