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Montag, 6. August 2007, 08:40

Zum Arbeiten nach Polen

Zitat

Deutsche Firmen und Beschäftigte zieht es nach Polen. Und das in einer Zeit, wo hierzulande darüber debattiert wird, ob man osteuropäische Facharbeiter ins Land lassen sollte, um eigene Lücken zu stopfen.

"Niemals im Leben", sagt Jochen Gerards und klopft dabei aufs Lenkrad, als wollte er das Gesagte damit unterstreichen. "Niemals im Leben habe ich mir das hier träumen lassen." Jochen Gerards ist 36 Jahre alt, Ingenieur und technischer Leiter bei der Baufirma Frauenrath und sitzt gerade in seinem Audi A 4 und saust von seinem Wohnort Bretnig in Sachsen nach Breslau in Polen. Eigentlich kam er mal aus Heinsberg bei Aachen. Er hat es jetzt eilig, er will um 11.30 Uhr auf seiner Baustelle sein, dem Spaßbad von Breslau, wo sein Unternehmen die ganzen Außenarbeiten macht, die Wege pflastert und die Parkplätze, die Beete anlegt und die Bäume pflanzt. Ein deutsches Unternehmen mit deutschen Mitarbeitern in Polen.

Einfache Arbeiten, erledigt von den angeblich so teuren Deutschen in einem Land, in dem die Löhne ungefähr halb so hoch sind. Wie kann das funktionieren?

Die Baustelle in Breslau ist ein schönes Beispiel dafür, wie weit manchmal Politik und Wirklichkeit voneinander entfernt sein können. Während in Deutschland gerade ängstlich darüber debattiert wird, ob man osteuropäische Facharbeiter ins Land lassen sollte, um eigene Lücken zu stopfen, die sich trotz 3,6 Millionen Arbeitslosen offensichtlich nicht stopfen lassen, lässt sich in Breslau besichtigen, was passiert ist, vermutlich weil Deutschland seine Grenzen so abschottet: Die guten Facharbeiter sind längst weg, bauen Häuser in Irland und Großbritannien. In Polen brummt die Bauwirtschaft, die Preise schnellen in die Höhe, alle übrig gebliebenen Bauleute sind beschäftigt. Sogar für die Deutschen bleibt ein Stück vom Kuchen.

"Der Baumarkt hier ist völlig überhitzt", sagt Gerards, als ihn sein Navigationsgerät vor das Tor der Spaßbad-Baustelle gelotst hat. Ein Wachmann in schwarzer Militärkleidung schließt das Tor auf. Die Baustelle ist streng bewacht. "Wir haben für unsere Arbeiten überhaupt keine polnischen Subunternehmer bekommen", sagt er und biegt auf das Gelände ein. Die Firma Frauenrath ist nicht das einzige deutsche Unternehmen auf der Baustelle. Die Wasser- und Abwassertechnik für das funkelnagelneue Bad bauen Handwerker aus Celle ein. Eine Firma aus Paderborn hat die Fenster geliefert und eingesetzt. Die Edelstahlarbeiten machte ein Betrieb aus Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Firmenwagen aus Dresden, Gera, Freiburg, Ingolstadt und Rottal-Inn stehen vor dem orangefarbenen Flachbau. Die Bäume, frisch eingepflanzter Rotahorn und Kiefern, lieferte eine Brandenburger Baumschule. Die kleine Betonrampe für Rollstuhlfahrer und Leute mit Kinderwagen, die zum Haupteingang des Bades führt, baute eine Maurerfirma aus der Nähe von Bautzen in Sachsen. "Es ist verrückt", sagt Jochen Gerards. "Die einfachsten Leistungen sind in Polen teurer als bei uns."

Sechs Leute in Breslau

Sechs Leute beschäftigt die Firma Frauenrath auf der Breslauer Baustelle. Einer ist Dirk Prescher. Der 29-Jährige aus Bretnig glättet mit seinem Bagger eine Böschung. "Nützt ja nichts", sagt er. Auch er hätte nie gedacht, dass er einmal in Polen arbeiten würde. Montags in der Frühe hin, zweieinhalb Autostunden, freitags nachmittags zurück. "Arbeit ist Arbeit", sagt er.

Als Polen, Tschechien und Ungarn im Mai 2004 der Europäischen Union beitraten, hatten sie schon eine Menge Sorgen im ostdeutschen Grenzraum. Es ging die Angst vor Billighandwerkern um, die den Ostdeutschen die Arbeit wegnehmen würden. Von polnischer Schwarzarbeit war die Rede und der Angst vor Dumpingpreisen. Doch nichts dergleichen geschah. Es gab keine Wanderung in den deutschen Osten. Eher eine in den polnischen Westen.

"Ist das nicht verrückt", sagt der Mann von der Pflasterbaufirma aus Merschwitz in Nordsachsen. Er steht in der Sonne, knackbraun, lacht. "Wir sind billiger als ein polnisches Unternehmen, was nur 500 Meter von hier entfernt sitzt." Seine Leute haben die Parkplätze und Gehwege vor dem Spaßbad im Auftrag der Firma Frauenrath gepflastert. Wenn man Jochen Gerards fragt, wie es funktionieren kann, dass Deutsche billiger als Polen arbeiten, dann antwortet er: "Ameisenprinzip". In Polen sei es immer noch üblich, dass 20 Mann mit Schubkarren arbeiten würden, wo die deutsche Konkurrenz einen mit einem Radlader beschäftigt. Außerdem würden polnische Unternehmen oft einfach mehr verlangen: In einem von Polen gepflasterten Quadratmeter steckten sechs Euro Lohnleistungen, in einem deutschen 4,50 Euro. "Die machen das einfach so." Und schließlich würde manchmal so abenteuerlich kalkuliert, dass die Polen bei einer Ausschreibung einfach nicht gewinnen könnten. Er hätte es schon einmal erlebt, erzählt Gerards, dass ein polnischer Betrieb für die Begrünung einer Fläche 450 000 Euro haben wollte, während die deutschen Konkurrenten die gleiche Arbeit für 150 000 Euro erledigt hätten. "Begreifen kann man das nicht immer", sagt der Ingenieur. Sogar das Baumaterial bringen die deutschen Handwerker mit nach Polen. "In Deutschland kriegen sie alles billiger", sagt Gerards.

Noch drei Wochen, dann sind sie fertig in Breslau. Eine Baustelle in Warschau betreibt die Firma auch noch. Danach könnten weitere folgen. "Wir bemühen uns", sagt Gerards. Er schätzt, dass noch fünf bis zehn Jahre Platz für deutsche Firmen auf dem überdrehten polnischen Baumarkt ist. Und die Grenze? "Man sollte sie ruhig öffnen", sagt der Ingenieur. Vor polnischer Konkurrenz fürchten sich die Handwerker aus Ostsachsen schon lange nicht mehr. Es ist schon eine verkehrte Welt.

Warnungen in Deutschland

Während die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gerade dringend davor waren, osteuropäische Fachkräfte auf den deutschen Arbeitsmarkt zu lassen, sitzt in Torgelow, im äußersten Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern, Dietrich Lehmann an seinem Schreibtisch, hinter sich eine alte Karte von Pommern. Er sagt: "Uns hier ginge es besser, wenn die Grenze ganz offen wäre." Noch ist sie zu für Dienstleistungen bis 2009 mindestens. Lehmann, 56 Jahre alt, ist Geschäftsführer der Energietechnik-Firma ME-LE, über 400 Mitarbeiter, Tochterbetriebe in Hamburg, in Budapest und Dessau. Er würde gerne Geschäfte in Polen machen, Gebäudemanagement anbieten. "So etwas gibt es in Polen noch gar nicht", sagt er.

Aber da das unter Dienstleistungen fällt, und Deutschland für Polen die Grenze zugemacht hat, ist sie in die andere Richtung auch versperrt. "Schauen Sie sich die Gegend hier an", sagt er und deutet auf seine Karte. 18 Prozent Arbeitslosigkeit, die meisten guten Facharbeiter oder Lehrlinge sind weggezogen. "Stettin mit 450 000 Einwohnern ist ein Riesenmarkt", sagt er. "Da möchten wir hin." Er könnte sofort vier oder fünf Leute nach Stettin schicken, würde auch sofort junge polnische Ingenieure einstellen. "Aber so wie es ist, hat es keinen Sinn."

Polen, die in Deutschland arbeiten wollten, seien per Kontingent schon lange da. Die anderen seien in Großbritannien. "Und hier bei uns", sagt er bitter, "sind in diesem Sommer Erdbeeren verfault, weil es keine Pflücker mehr gab." Vor kurzem stellte er zwei deutsche Ingenieure ein, beide über 50 Jahre alt. "Aber solche Leute sind mittlerweile selten. Die meisten Arbeitslosen sind gering qualifiziert." Deshalb sei es trotz der hohen Arbeitslosigkeit furchtbar schwierig, gute Ingenieure und Facharbeiter zu bekommen. "Wir hier oben sind die Gekniffenen", sagt er. "Ständig wird über Europa geredet, es wird gefeiert, aber zusammen arbeiten lässt man uns nicht." Lehmann steht in Unternehmerkreisen nicht allein da. "Wenn wir eine Anbindung an Stettin hinbekommen, wird sich unsere Region auch wirtschaftlich tragen. Andernfalls nicht. Wir sind doch mit Polen verbandelt."

Er kann sich fast in Rage reden. "Entweder wir sind für Europa oder nicht. Ein bisschen schwanger geht auch nicht." Im Sport gehe es doch auch; sagt er. Lehmann ist Vorsitzender des Torgelower SV Greif, Fußball, Oberliga. "Bei uns spielen fünf Polen", sagt er. "Anders hätten wir hier oben gar keine taugliche Mannschaft mehr."



Quelle >>>

2

Montag, 6. August 2007, 10:00

Genau über diese Baustelle hat RTL berichtet...

Schon verrückt.....

3

Montag, 6. August 2007, 11:08

Jetzt wäre mal interessant, ob man diesen Bericht von RTL noch irgendwo finden tut.....

Darek

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4

Montag, 6. August 2007, 13:33

RE: Zum Arbeiten nach Polen

... die Aussage, ..." dass der Baumarkt völlig überhitzt ist..." kann ich nur bestätigen.
Ein Bekannter (Pole) arbeitet in Polen in leitender Position in einem Ziegelwerk und hat mit erzählt, dass die Firma schon Vorbestellungen bis ins Jahr 2008 hat.
Mittlerweile kommen Privatleute mit Plastiktüten voller Geld in die Firma, kippen die Tüten dann im Büro auf den Schreibtisch und möchten sofort Ziegel kaufen, da es im Moment nur schwer welche zu kaufen gibt. Auch sind die Leute sogar bereit, mehr als das Doppelte des regulären Preises zu zahlen.

Erinnert mich irgendwie an die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, als bei uns der Wirtschaftsboom losging. Na ja - ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber trotzdem.
Schade, dass ich kein Bauunternehmer bin .... :D
Signatur von »Darek« Wer schweigt, trägt Schuld an den Zuständen, die er beklagt!
Und wer vergisst ist verurteilt, dasselbe noch einmal zu erleben!

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