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Capricorn

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Freitag, 19. April 2013, 16:48

Medizin: Heilslehre und Heilskunde



Bei meinen heutigen Recherchen für den Pressespiegel bin ich auf folgenden Bericht gestoßen.
Aus gegebenem Anlass "In eigener Sache" möchte ich diesen Artikel erneut zur Diskussion stellen. Selbstverständlich weiß ich, dass über dieses Thema schon sehr oft lang und breit diskutiert worden ist.



Medizin: Heilslehre und Heilskunde.
Alternative Methoden wie Homöopathie werden immer häufiger eingesetzt - obwohl ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. Kritiker fordern: Die Medizin sollte auf Distanz gehen.

Autor: Rosemarie Stein

Quelle: Der Tagesspiegel


"Glaubensmedizin", so Christian Weymayr, Biologe und Wissenschaftspublizist, auf der Tagung EbM (Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin).


Ist homöopathische Behandlung nur Placebo? Ist Homöopathie überinterpretiert? Sind homöopathische Studien sinnlos, oder ist daran etwas Wahres?


Darek, Du bist gefragt. Wie ist Deine Meinung zu dem Bericht generell und zu den Thesen des Herrn Weymayr im Besonderen?
Signatur von »Capricorn« Das Denken ist auch eine Wirklichkeit,
sogar eine der wichtigsten im Menschenleben.

Wilhelm Ostwald

Darek

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2

Sonntag, 21. April 2013, 16:16

Na Christoph, dann werde ich einmal eine Antwort versuchen, obwohl das Thema sicherlich sehr breit gefächert ist und ich selbst keine
sonderlichen Erfahrungswerte zur Homöopathie besitze, denn "Gesunde bedürfen des Arztes nicht!"

Eigentlich kann man das Thema ganz schnell mit einer einzigen Aussage abtun: Wer heilt, hat Recht! Ende der Durchsage!
O.k., so einfach mache ich es mir denn nun aber doch nicht.

Nicht nur Otto-Normal-Verbraucher, auch die Medien sind bei dem Thema der Homöopathie, des Heilpraktikers schnell mit Oberflächlichkeiten bei der Hand und bombadieren uns mit allgemeinen Phrasen, die wir immer wieder zu hören bekommen. Kaum einer weiß aber wirklich genau, was Homöopathie bedeutet. Homöopathie ist nämlich nicht ganz so einfach, wie sie immer hingestellt wird: Anders als in der Schulmedizin gibt es keine Mittel gegen Beschwerden und Symptome, sondern gegen einen Kranken in seiner Gesamtheit, wobei jeder individuell gesehen wird. Beispiel: Ein Kranker hat bei Grippe einen ausgeprägten Durst, ein anderer aber bekommt keinen Schluck runter. Es gilt daher der Grundatz, dass die Homöopathie die Anregung der selbstregulatorischen, individuellen körpereigenen Kräfte intensiviert und anregt.
So weit, so gut.

Sehen wir uns nun einmal die Aussagen von diesem Dr. Weymayr an.
Grundsätzlich habe ich an seinem Buch zumindest schon einmal einen Kritikpunkt, nämlich die oftmals fehlenden Quellenangaben für seine "Thesen". Auch werden Quellen, bzw. Studien, die einen Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie belegen könnten, selten bis gar nicht angeführt. Für einen erfahrenen und kritischen Wissenschaftsjournalisten sicherlich ein erhebliches Manko.

Einer seiner Kritikpunkte ist ja z.B. die extreme "Verdünnung" von Wirkstoffen (z.B. D6, also 1: 1.000.000), die seiner Meinung nach völlig unbrauchbar sein muss für irgendwelche Heilzwecke. Der berühmte Tropfen im Ozean wird dabei immer wieder angeführt. Diese Verdünnung, die dahinterstehende Philosophie der Homöopathie, widerspricht seiner Ansicht nach den allgemein gültigen Naturgesetzen.

Hm, auf den ersten Blick eigentlich verständlich. Wie kann etwas in einer dermaßen extremen Verdünnungsphase noch wirken? Auch mir wird diese Frage oft gestellt, auf die ich dann allerdings mit folgendem Beispiel antworte:
Schüttet man z.B. vor Hawai einige Becher Blut ins Meer, so schießen nach kürzester Zeit etliche Haie aus meilenweiter Distanz darauf zu. Wie ist dies möglich, wenn eine deratige Verdünnung des Blutes nach dem Verständis der Homöopathie-Kritiker keinerlei Wirkung mehr zeigen dürfte? Diese Frage konnte mir bis heute noch niemand dieser Homöopathie-Kritiker vernünftig erklären. Es ist nämlich absolut unwahrscheinlich, dass der Hai innerhalb von Sekundenbruchteilen einen chemisch-stofflichen Kontakt mit dem Blut haben konnte. Und falls doch - woher wußte der Hai dann die Richtung, in die er schwimmen muss?
Solange nun aber klassische Mediziner und Homöopathie-Kritiker dieses Phänomen nicht erklären und anerkennen können, solange wird es immer wieder Streit und hitzige Diskussionen bei dieser Frage geben.

Ein weiterer Aspekt ist die "Verdünnung" selbst, von der immer gesprochen wird.
Gerade das Prinzip der Potenzierung der homöopathischen Mittel, ist für viele nicht nachvollziehbar. Viele gehen immer noch davon aus, dass die Substanzen nur "verdünnt" würden. Dies aber ist so nicht ganz richtig.

Hahnemann, als Begründer der Homöopathie, selbst schilderte, dass die Potenzierung für "seinen Verstand schwer zu fassen sei". Dennoch waren die Erfahrungen, die er mit diesem Verfahren sammelte, für ihn Beweis für die Wirksamkeit. Hahnemann verdünnte zu Beginn aber tatsächlich viele seiner Wirkstoffe, da die Patienten ansonsten oft zu stark darauf reagierten. Bei seinen Experimenten entwickelte er nach und nach ein Verfahren, bei dem er die Ausgangssubstanzen nicht einfach nur mit einem Lösungsmittel vermischte. Vielmehr verschüttelte er sie mit Alkohol und Wasser oder verrieb sie mit Milchzucker, er potenzierte die Wirkstoffe.
Studien zeigen immer wieder, dass die potenzierten Arzneimittel eine viel stärkere Wirkung haben als die nicht potenzierten Medikamente.

Der russische Homöopath Korsakoff arbeitete ebenfalls mit dem Verfahren der Potenzierung. Bei der nach ihm benannten Methode erfolgt das Verschütteln jeweils im gleichen Glas. Die Methode nach Hahnemann schreibt für jeden Durchgang ein neues Glas vor.
Es handelt sich bei den Potenzierungen homöopathischer Mittel eben nicht einfach um Verdünnungen. Vielmehr scheint sich das Lösungsmittel durch die Verschüttelung in seinen Eigenschaften zu verändern und Informationen aufzunehmen. Einige Forscher erklären dies mit einer Art Wassergedächtnis. Doch ist dieses Phänomen bisher kaum verstanden und wenig eindeutig.
Aber genau deswegen wird dieser Umstand häufig belächelt und als Scharlatanerie abgetan.

Was allerdings viele dabei vergessen: Auch aus der Schulmedizin gibt es Beispiele, bei denen die Wirksamkeit eines Mittels von niemandem angezweifelt wird, obwohl die pharmakologischen Effekte nicht bekannt sind: Acetylsalicylsäure beispielsweise, besser bekannt unter dem Namen "Aspirin", wird bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts synthetisiert. Bis vor einigen Jahren konnte aber niemand die Funktionsweise dieses Wirkstoffs erklären.

Ein schönes Beipiel aus der Physik kann dies ebenfalls verdeutlichen - elektrischer Strom.
Wir alle kennen den Effekt, dass bei eingeschaltetem Lichtschalter die Lampe brennt. Den Strom selbst hat aber noch niemand gesehen.

Und wenn dies alles lediglich auf einen Placebo-Effekt zurückzuführen ist?
Was soll´s! Besser ein heilsamer Placebo-Effekt ohne Nebenwirkungen, als irgendeine synthetische, chemische Substanz mit jeder Menge Nebenwirkungen.

Ich bleibe also dabei - wer heilt, hat Recht.
Signatur von »Darek« Wer schweigt, trägt Schuld an den Zuständen, die er beklagt!
Und wer vergisst ist verurteilt, dasselbe noch einmal zu erleben!

Capricorn

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Sonntag, 21. April 2013, 17:22

Danke Darek, für Deine ausführliche Antwort.

Da ich mich mit alternativer Medizin/Heilkunst noch nicht ernsthaft auseinandergesetzt habe, ist dieses nun ein wichtiges Thema für mich geworden. Es ist immer schwer zu entscheiden, ob entsprechende Berichte wirklich sachlich sind.

Gesundes Misstrauen ist sicher nicht falsch.
Daher sind die möglichen Erfahrungen Anderer sehr hilfreich.

Christoph
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Wilhelm Ostwald