… ich war ja im zarten Alter von Ende 26/27 selbst vom Krebs betroffen und es hat mich einen meiner Hoden gekostet.
so what? Ich bin trotzdem noch Vater zweier wunderbarer Kinder geworden. Was zwei Eier können, schafft auch ein Ei alleine, wenn es unbedingt muss…
Mein Ton ist zu lax? Man sollte mit mehr bedacht an das Thema gehen? Leider Fehlanzeige, zumindest bei mir.
Die Reaktionen auf das Thema sind so unterschiedlich, wie die Schicksale der Betroffenen. Deswegen macht es als selbst Betroffener gar keinen Sinn sich auf das jeweilige Gegenüber einzustellen, da sich die Reaktion eben nicht vorhersagen lässt. So zumindest meine Einstellung.
Für mich war der Hodentumor eine Offenbarung. Schliesslich signalisierte mein Körper mir auf diese Weise, dass er eine Auszeit brauchte. Zuvor hatte ich verlernt auch mal "nein" zu meinem Umfeld zu sagen und habe versucht auf allen Hochzeiten zu tanzen bzw an viele Schlachten gleichzeitig zu schlagen (sucht euch das passende heraus).
Hier hatte ich endlich einen Ruhepol. Niemand trat an mich heran, um nach Hilfe zu ersuchen oder mich um etwas zu bitten.
Endlich konnte ich mich mal ausruhen.
Klar. es gab zwei Operationen, die erste um das befallene Ei zu entfernen, die zweite etwas später, um meine Lymphbahnen aus dem Bauch zu entfernen, da sich ein Lymphknoten meines Verdrängungskrebses direkt neben der Hauptschlagader befand. Wäre dieser irgendwann spontan gewachsen hätte er eben die Ader abgedrückt und ich wäre einfach umgefallen…
Drei Zyklen Chemotherapie hatte ich auch noch zwischendurch, inklusive Haarausfall. Das ist auch nie wieder dicht nachgewachsen, was mir dann zu meinem mittlerweile charakteristischen Kurz-Gar Nicht-Haarschnitt verhalf…
Ich war in den besten Händen am Urban Krankenhaus, wo die national anerkanntesten Spezialisten in Sachen Hodenkrebs zugegen waren. Schnell begriff ich, dass Krebs eine Krankheit ist, die zu mehr als 50% psychisch bekämpft werden kann/muss. Meine Einstellung war so simpel, wie effektiv. Geht mein Auto kaputt gebe ich es in die Werkstatt. Gehe ich kaputt, geht es eben ins Krankenhaus. In beiden Fällen werden die Leute schon wissen, was zu tun ist. Der Tod oder ähnliches war bei mir nie Thema. Ich habe sogar eher gewitzelt, dass ich früher aus dem Krankenhaus raus muss, weil ich die Weihnachtsfeier im Büro nicht verpassen will und auch später liess ich einen OP Termin verlegen, weil er mit der Übertragung des Super-Bowl kollidierte und mein Team daran schliesslich teilnahm…
Meine Einstellung machte im Krankenhaus die Runde. Ich hatte schnell als einziger Patient die (inoffizielle) Erlaubnis, mir im Schwesternzimmer richtigen Kaffee zu kochen, statt die Automatenplörre trinken zu müssen. Die Chefärzte kamen regelmässig zu mir, sass da doch tatsächlich einer, der dem Krebs und den Folgen nur sein Lächeln zeigte. Schwestern und Pfleger sassen öfters bei mir im Zimmer, statt in ihrem Eigenen und lauschten meinen Plänen über eine Weltreise im Land Rover (die ich leider nie antrat).
Tatsächlich war ich der einzige Patient auf der Station während aller meiner Aufenthalte, der keinerlei Nebenwirkungen zeigte.
Meine Ärzte sagten, meine Einstellung sei vorbildlich und sie wünschten sich mehr Patienten wie mich. Den Spruch ich könne gerne wiederkommen verkniffen sie sich aber…
Ich habe plötzlich mehr Aufmerksamkeit von allen um mich herum erhalten. Ich konnte mich zurücklehnen und ausruhen. ICH habe bestimmt, was es wann zu essen gab und wer mich wann besuchen darf. Ich habe teilweise Besuch früh nach hause geschickt, nur weil ich an dem Tag schon so viel Besuch hatte, dass es mich erschöpfte…
Ich kann getrost sagen, dass meine Zeit der Krebsbehandlung eine der Zeiten war, die ich am positivsten in meinem ganzen Leben empfand. Das mag paradox klingen, es entspricht aber 100%ig der Wahrheit.
Was ich nur jedem mitgeben kann ist eine gesunde positive Einstellung zum Leben und im schlimmsten Fall auch zu der Krankheit. Ich habe viele Lehren draus gezogen und bin doch nicht zum Moral- oder Gesundheitsapostel geworden (ganz im Gegenteil).
Sollte man nun offen über Krebs sprechen? klar, wenn man Lust drauf hat. Man sollte sich aber drauf einstellen, dass die Reaktionen sehr unterschiedlich sein können. Während der Chemotherapie verlor ich meine Haare und eine Nachbarin fragte mich scherzhaft, ob ich eine Wette verloren hätte und deswegen die Haare geschoren wären. Ich antwortete nur: "Nee. Ich hab Krebs." Sie entschuldigte sich 1000 mal, obwohl ich klar gesagt habe, dass es dazu gar keinen Grund gibt. Ich hatte den Krebs ja nicht wegen ihr… Trotzdem ging mir die Frau seitdem etwas aus dem Weg… Was bleibt einem da noch zu sagen?
Vorsorge?
Wichtig ab einem bestimmten Alter und wegen des Jungmännerkrebs "Hodentumor" sollte man sich beim Duschen ruhig immer mal abtasten (oder abtasten lassen, macht mehr Spass). Beim Hodentumor ist die Heilungsschance, wie ich mittlerweile weiss, extrem hoch, wenn man ihn früh entdeckt.
Mittlerweile gelte ich natürlich als komplett geheilt und gemäß meiner anfänglichen Einstellung sage ich mir einfach, dass ich meinen Krebs bereits hatte. Für die Zukunft muss ich mir also keine Sorgen machen.
Meine Ärzte von damals würden mir zu dieser Einstellung gratulieren…