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Mittwoch, 5. März 2014, 20:14

Schlesische Autonomiebewegung(en)

Im Zuge des Meinungsaustausches über die Krimkrise wurde auch über eine latente "schlesische Problematik" gesprochen. Ich hab mal einen eigenen Thread aufgemacht, weil es mich einfach interessiert, wie ihr darüber denkt.

Ich wohne ja die Hälfte meiner Zeit in der Nähe von Krapkowice, einer Gegend die eben sehr deutlich von der deutsch-polnischen Vergangenheit geprägt ist.

Von irgendwelchen Problematiken im deutsch-polnisch-schlesischen Zusammenleben habe ich hier bisher sehr wenig mitbekommen. Es gibt zweisprachige Ortsschilder (die nicht beschädigt oder übermalt werden), offiziell zweisprachige Verwaltungen (Walce) etc.

Sicher ist -besser war- die jüngere Geschichte Schlesiens von großer Dramatik geprägt und es sind viele persönliche Schicksale damit verbunden (auch mein Vater ist "Heimatvertriebener).

Nur, ich schreib das bewusst hier nur nach "Gefühl" : Nach meiner Meinung ist Schlesien in den letzten Jahren bunter, fröhlicher, moderner und lebenswerter geworden.

Die Zeit heilt bzw. nivelliert -so banal das auch klingen mag- die tiefen Wunden, die der 2.WK und die Zeit des Kommunismus gerissen haben.

Sicher gibt's auf polnischer und auf deutscher Seite nationalistische Spinner mit "eigener Meinung zur Thematik. Auf diese möchte ich nicht näher eingehen , zu dumm oder irrsinnig ist deren Gedankengut.

Und natürlich gibt's ein paar schlesische (Heimat-)verbände, die gerne ein autonomes Schlesien ausrufen würden. Aber solche Heimatverliebte gibt's doch beispielsweise in Bayern auch. Wär nicht das erste Mal, dass ein CSU-Politiker in Bierlaune eine Seperation Bayerns von Deutschland fordern würde.

Fakt ist halt, dass all den obengenannten Spinnern von den Medien willfährig eine Bühne geboten wird.

Eine nüchterne Meldung :" Oberschlesien gehört zum demokratischen EU-Mitglied Republik Polen. In dieser Gegend wohnen Polen, Deutsche und Schlesier in friedlicher Koexistenz"...

...wäre vermutlich zu langweilig.

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Freitag, 7. März 2014, 15:31

Das Stichwort "Schlesische Autonomiebewegungen" ist ein Thema, das mich seit einiger Zeit etwas beschäftigt. Und das vor allem, weil ich eigentlich mit einer derart vielfältigen und gegensätzlichen Diskussion darüber überhaupt nicht gerechnet hatte.

Schlesien ist die Heimat meiner Großeltern und etwas auch meiner Eltern. Jedoch waren meine Eltern noch recht jung als sie nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland gehen mussten. Sie hatten sich dann wohl mit der Tatsache abgefunden, nun nicht mehr am "Oderstrand" leben zu können. Anders meine Großeltern - sie hatten die Hoffnung nicht verloren, wieder in die Umgebung von Breslau zurückkehren zu können. Ich bin dann schon in den 70er Jahren (natürlich 1970) immer wieder einmal in Schlesien gewesen. Beruflich hatte ich mehrfach in Breslau zu tun und konnte meinen Großeltern mit polnischen Landkarten und Fotos von den Orten, die sie kannten, eine Freude machen. Selbstverständlich habe ich damals oft Vorbehalte gegenüber "den Deutschen" gespürt, ich persönlich wurde jedoch stets freundlich begrüßt und interessiert nach meinen Großeltern gefragt. Fast ausschließlich waren es die polnischen Bewohner, die mich in jene Gehöfte und Häuser einluden, in denen früher meine Großeltern und ihrer Verwandten gewohnt hatten.

Seit einiger Zeit bin ich Altersrentner, lerne etwas Polnisch und nehme mir Zeit, zu den Wurzeln meiner Familie zurückzublicken. Auch heutzutage bekomme ich dann und wann zu hören, dass Polen und Deutsche niemals Brüder sein können - aber heute wird dabei auch schon einmal mit den Augen gezwinkert oder gelacht. Oft eerinneere ich mich dabei an einen Besuch auf einem Schloss in Schottland als wir dort von dem Laird, dem Schlossherren begrüßt wurden. Als Deutscher wurde ich dort besondern freundlich begrüßt, Auch meine englischen Begleiter wurden begrüßt, der Laird konnte sich aber nicht verkneifen, den Engländern zu sagen, das die Anwesenheit für sie eine ganz besondere Auszeichnung wäre und sie sollten dabei nicht vergessen, dass man ihne noch vor 200 Jahren die Köpfe abgeschlagen hätte. Ähnlich empfand ich die Atmosphäre in Polen so dann und wann - man spricht über alte Feindschaften, dies aber in gute Laune und mit "neuer Freundschaft".

Unter diesen Eindrücken beschäftigt es mich, dass es in Polen auch andere Tendenzen gibt: Menschen, die seit der Kindheit in Polen leben, sich selbst jedoch als Deutsche betrachten und Wege "nach Deutschland" suchen. Eine weitere Gruppe von Menschen stehen für die Autonomie Schlesiens, als autonomes Gebiet in Polen, als überhaupt autonomes Gebiet, an das auch Deutschland und Tschechien Gebeitet abtreten soll, bis hin zu jenen, für die Schlesien überhaupt nur als deutsches Gebiet denkbar ist.
Ich habe die Bretonen kennen gelernt und erfahren, dass sich in Großbritannien auch viele Schotten, Waliser und Bewohner Cornwalls ohne die Engländer denken. Wer in Europa lebt, kennt natürlich auch die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Walonen und der Flamen sowie die Probleme, die Flamen manchmal mit Holländern haben. Für mich war enttäuschend, dass es augenscheinlich auch in Polen "ein paar Unterschiede" gibt und ich frage mich einfach: Wie lange kann das ohne Probleme gehen und sollte die Politik nicht endlich spürbarer an einem Europa arbeiten, in dem alle ihre Räume finden ?

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