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Mittwoch, 26. September 2007, 11:12

Abtreibungsurteil: Polen muss blinde Frau entschädigen

Zitat


Polen hat den Rechtsstreit um die Verweigerung einer Abtreibung verloren. Die Regierung in Warschau muss nun einer Frau 39 000 Euro Entschädigung bezahlen, der trotz nachweislicher Gesundheitsrisiken keine Abtreibung erlaubt worden war. Die Entschädigung ist innerhalb von 3 Monaten an das Opfer zu zahlen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe seine entsprechende Entscheidung vom März bestätigt, sagte ein Sprecher des Gerichts in Strassburg am Dienstag. Der Frau seien grundlegende Rechte verwehrt worden, als sie die Schwangerschaft nicht abbrechen durfte.

Die national-konservative Regierung in Warschau hat die Gerichtsentscheidung im Frühjahr scharf kritisiert. Obwohl in dem mehrheitlich katholischen Land bereits eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas gilt, will sie ein vollständiges Verbot durchsetzen.

Nach polnischem Recht darf abgetrieben werden, wenn Leben oder Gesundheit der Mutter bedroht sind. Drei Ärzten zufolge musste die betroffene Frau bei der Geburt ihres dritten Kindes mit einer fast vollständigen Erblindung rechnen.

Sie stellten ihr aber nicht das für einen Schwangerschaftsabbruch nötige Attest aus. Die Frau verlor ihr Augenlicht tatsächlich weitgehend und lebt heute von einer Invalidenrente in Höhe von umgerechnet 140 Euro.

"Polen ist ein Rechsstaat und wird sich deshalb dem Urteil des Gerichtshofes in Straßburg beugen. Es ist allerdings schade, dass der Gerichtshof wesentlich Beweisgründe der polnischen Regierung nicht geprüft hat" - hat der Geschäftsführer der federführenden Gesundheitsbehörde in der Abtreibungssache Trzciński gesagt.


Quelle

Raiden77

unregistriert

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Mittwoch, 26. September 2007, 12:14

Was unterscheidet sich bei Abtreibungen in Polen von den Deutschen Richtilinien? Würde mich mal interessieren...

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Mittwoch, 26. September 2007, 12:34

Zitat

Original von Raiden77
Was unterscheidet sich bei Abtreibungen in Polen von den Deutschen Richtilinien? Würde mich mal interessieren...


Zitat

In Deutschland ist Abtreibung nach wie vor per Gesetz verboten. In der DDR bestand seit 1972 ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche. In der BRD wurde heftig darum gekämpft, besonders eine Anzeigenkampagne des Stern, bei der sich hunderte von Frauen "outeten", trieb die Diskussion voran. Am 18. Juni 1974 wurde per Gesetz die Fristenlösung in der BRD eingeführt, nach der ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft erlaubt sei. Fünf Tage später erklärt eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichtes diese Fristenregelung in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig, das Gesetz wird in eine Indikationslösung umgewandelt. Erst seit 1995 wird Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche toleriert: Das "Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes" sieht eine Fristenlösung mit Beratungspflicht vor. Nach Paragraph 218 ist der Abbruch heute zwar rechtswidrig, aber straffrei.
Die Mehrheit der Abbrüche (97 Prozent) wurden 2003 in Deutschland nach dieser so gennanten "Beratungsregelung" vorgenommen. Die betroffenen Frauen brauchen für eine Abtreibung die Bescheinigung einer anerkannten Beratungsstelle. Nicht rechtswidrig ist der Eingriff, wenn eine kriminologische Indikation vorliegt. Bei einer medizinischen Indikation, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder das erwartete Kind schwer behindert oder krank ist, ist eine Abtreibung auch nach der 12. Woche möglich.


Zitat

In Polen herrschen neben Irland und Malta die restriktivsten Anti-Abtreibungsgesetze im gesamten europäischen Raum. Ein Schwangerschaftsabbruch - während des Kommunismus erlaubt - ist heute nur bei Vergewaltigung, Inzest, bei einer Lebensgefährdung der Frau und bei schweren Missbildungen des Fötus möglich. Psychische Erkrankungen werden nicht berücksichtigt, Notsituationen nicht vorgesehen. Die offiziellen Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2002 wurden in den öffentlichen Hospitälern nur knapp 160 Abtreibungen registriert, und das bei 10 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter. Die Abbrüche finden in illegalen Privatpraxen statt und entziehen sich damit jeglicher Kontrolle. Die Zahl der illegalen Abtreibungen in Polen wird auf jährlich 80.000 bis 200.000 geschätzt.
Jetzt will sich die Regierung dieses Gesetz im EU-Beitrittsvertrag garantieren lassen. Proteste gibt es kaum. Das Thema ist tabu, das Geschäft mit der illegalen Abtreibung blüht - auch deshalb, weil die katholische Kirche sich erfolgreich gegen die Einführung der Sexualkunde an den Schulen gewehrt hat.


Ein Problem in Polen wird sicher bei den Ärzten liegen die sich, unter dem massiven Druck der Kirche, dagegen sträuben die Notwendigkeit festzustellen.

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Mittwoch, 26. September 2007, 13:05

Noch etwas interessantes zu dem Thema:

Zitat

....Die Verbote scheinen für viele wohlhabende Frauen nicht zu gelten, die einen Abbruch bezahlen können. Besonders skandalös ist die Tatsache, dass im öffentlichen Gesundheitswesen andererseits Eingriffe verweigert werden, die nach geltendem Recht eigentlich erlaubt wären. Nach polnischem Recht kann die Frau nämlich bei einem hohen gesundheitlichen Risiko für Mutter und Kind selbst entscheiden, ob sie die Schwangerschaft fortsetzen will. In der Praxis aber wird den Frauen dieses Recht oft nicht zugestanden. So kommt es, dass circa 160 legal vorgenommenen Abbrüchen 200 000 illegale Abbrüche jährlich gegenüberstehen.
Es gibt in Polen Tausende von Ärzten, die am Morgen im Krankenhaus eine Abtreibung verweigern, am Nachmittag in ihren eigenen Ärztezimmern aber eine Abtreibung durchführen. So ist auch zu erklären, dass in Polen diese Doppelmoral mit dem Zeichenwitz von Marek Raczkowski aus der Zeitschrift "Przekroj" ausgedrückt ist. Dargestellt wird eine Szene aus einem privaten Gynäkologenzimmer: "Warum so teuer, Herr Doktor?" - fragt eine Patientin. "Weil es so eine schwere Sünde ist" antwortet der Arzt...


Quelle

Raiden77

unregistriert

5

Mittwoch, 26. September 2007, 13:23

das ist sehr gut erklärt, vielen Dank...

6

Mittwoch, 26. September 2007, 17:16

Und es gibt kein Anspruch auf Abtreibung, in genannten Fällen ist es nur Straffrei.

Das ist ein grosser Unterschied. Du kannst lange ein Arzt im staatlichen Krankenhaus suchen der dich nach Vergewaltigung oder so "behandelt".
Dass sie erstens staatlichen Gesetzen und dann Hippokratischen Eid verpflichtet sind stört sie nicht so sehr.

Wenn Du etwas Geld hast ist es kein Problem solange du nicht erwischt wirst, bei sehr armen Frauen kommen bald noch Hausrezepte die gefährlich sind. Aber diskuttiere mal mit solchen Leuten...

p.s. Ich schmeisse mich weg "Nach Paragraph 218 ist der Abbruch heute zwar rechtswidrig, aber straffrei."
Ok dann ist es erlaubt andere zu schlagen, aber es gibt 6 Monate Haft dafür.
Absurd.
Signatur von »Obywatel GG« Naród wspaniały, tylko ludzie k*rwy. Autor: Józef Piłsudski

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Mittwoch, 26. September 2007, 20:48

Zitat

Ok dann ist es erlaubt andere zu schlagen, aber es gibt 6 Monate Haft dafür.


Andersrum, du darfst keinen schlagen, tust Du es trotzdem bekommst du keine 6 Monate Haft ;)

8

Donnerstag, 27. September 2007, 16:24

Glemp rügt Gericht

Noch etwas zum Thema:

Zitat

Der polnische Kardinal Jozef Glemp hat den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wegen einer Entscheidung zum Abtreibungsverbot des Landes gerügt. Der Gerichtsbeschluss sei ein "Beispiel für einen Eingriff fremder Institutionen in Angelegenheiten unseres Vaterlandes", sagte Glemp in Posen. ... weiter >>>


Quelle: Radio Vatikan

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Donnerstag, 27. September 2007, 16:43

RE: Glemp rügt Gericht

Jetzt sorgt er sich um die Unabhängigkeit Polens? Wäre das erste Mal dass es die Kirche wirklich interessiert, die liefen immer als erste über, soll sich lieber um die Frauen sorgen die abtreiben müssen.

Gerade in das was mit Kirche zusammenhängt sollen sie sich eimischen, das kann nicht schaden.
Signatur von »Obywatel GG« Naród wspaniały, tylko ludzie k*rwy. Autor: Józef Piłsudski

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