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Montag, 17. September 2007, 13:33

Kaczynskis Wahlgeschenke gefährden Standort Polen

Zitat


Im Vorfeld der Parlamentswahl am 21. Oktober verteilt Polens nationalkonservatives Kabinett von Premier Jaroslaw Kaczynski Wahlgeschenke an sozial Schwache, anstatt den Haushalt zu sanieren und die sozialen Sicherungssysteme fit für die Zukunft zu machen. Unternehmer fürchten inzwischen um den Standort.

WARSCHAU. "Dieses Kabinett hat keinerlei Gesetze verabschiedet, die Polen auf künftige Herausforderungen vorbereiten", sagt die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes, Henryka Bochniarz. Sie meint damit vor allem eine nachhaltige Sanierung der öffentlichen Finanzen. Die Wirtschaft fürchtet, dass der Standort an Attraktivität verliert.

"Das hohe Wachstum wäre eine gute Gelegenheit, Reformen anzupacken", mahnt der Warschauer Wissenschaftler Stanislaw Gomulka. Tatsächlich hat das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2006 um 6,1 Prozent zugelegt und dürfte auch in diesem Jahr um 6,0 bis 6,4 Prozent wachsen, prognostizieren das Institut für marktwirtschaftliche Forschungen in Danzig und verschiedene Warschauer Banken. Motor des Wachstums sind die private Nachfrage aufgrund steigender Reallöhne und die Investitionen. Offenbar, so heißt es unter Analysten, hat die anhaltende politische Krise des Landes der Konjunktur bisher nicht geschadet.

Trotz ihrer Abneigung gegen ausländisches Kapital hätten die regierenden Nationalkonservativen zudem die weitere Einbindung Polens in die globalen Märkte nicht verhindern können. So scheiterte ihr Versuch, die Fusion der polnischen Tochterbanken der italienischen Unicredit-Gruppe zu blockieren. Wie attraktiv Polen für ausländische Direktinvestitionen ist, zeigt der Rekordzufluss von gut elf Mrd. Euro im vergangenen Jahr - der höchste jährliche Zuwachs seit 1989. Für 2007 erwartet das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) sogar einen Zufluss von 12 Mrd. Euro. Damit ist Polen Spitzenreiter in Osteuropa.

Um die Attraktivität des Standorts zu erhalten, müssten die Regierenden Reformen angehen, fordert die Wirtschaft. Doch die Regierung von Premier Kaczynski hat beispielsweise die Einführung des Euros auf die lange Bank geschoben. "Die Politiker weichen der Entscheidung aus, weil sie um ihre Popularität fürchten", sagt der Berater von Price Waterhouse Coopers, Witold Orlowski. Laut Konvergenzplan der Regierung soll das Defizit im Staatshaushalt erst 2009 knapp unter den Maastricht-Grenzwert von drei Prozent des BIP sinken. Damit könnte der Euro erst 2011 eingeführt werden. Die von Finanzministerin Zyta Gilowska angekündigte nachhaltige Reform der öffentlichen Finanzen wurde vorerst ad acta gelegt.

Stattdessen verteilt die Regierung großzügige Wahlgeschenke, die den Konvergenzplan gefährden. So beschloss das Kabinett eine Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 9,3 Prozent, sieben Prozentpunkte mehr als die aktuelle Inflationsrate. Wegen der ebenfalls beschlossenen Erhöhung des landesweiten Mindestlohns um 18 Prozent fürchten jetzt viele kleine Unternehmer gerade im ländlichen Raum, dass sie nicht mehr genug Arbeitskräfte mit niedriger Qualifikation finden. "So mancher von ihnen wird bankrott gehen", heißt es beim Arbeitgeberverband.

Der Wahlkampf sorgt auch dafür, dass wichtige Gesetzentwürfe in den Schubladen des Parlaments verschwinden, zum Beispiel zum Abbau bürokratischer Hemmnisse bei der Zulassung von Unternehmen. Ohnehin hat die jüngste Studie des renommierten kanadischen Fraser-Instituts gezeigt, dass Polen noch viel tun muss, um den Freiraum der Wirtschaft zu erweitern. In der Liste der von dem Institut untersuchten 141 Staaten liegt Polen an 56. Stelle - hinter fast allen EU-Staaten und auch noch hinter Peru und Botswana.

Die künftige Regierung hat also viel zu tun, wenn sie Polen als unternehmerfreundlichen Standort erhalten will, der im globalen Konzert mitspielen kann. Dringend notwendig ist insbesondere eine Modernisierung der sozialen Systeme. Wegen der steigenden Lebenserwartung droht der staatlichen Rentenversicherung der Kollaps, wenn sie nicht durch einen neuen Generationenvertrag angepasst wird. Der öffentliche Teil des Gesundheitswesens muss saniert werden, soll er nicht weiter den Staatshaushalt zu stark belasten. Zudem fordert die Wirtschaft eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, damit dieser besser auf die Anforderungen der Unternehmen reagieren kann. Zudem steht Polen vor der Aufgabe, seine Berufsbildung zu modernisieren, soll der in einigen Regionen schon spürbare Mangel an qualifizierten Arbeitskräften nicht die Ansiedlung ausländischer Direktinvestitionen gefährden.

In den vergangenen 15 Jahren ist es allerdings keiner polnischen Regierung gelungen, ein konsistentes Reformprogramm zu entwickeln, das alle wichtigen Aufgaben anpackt: die Förderung der Wirtschaft ebenso wie die Stärkung von Forschung und Entwicklung, die Modernisierung der Infrastruktur und die Sanierung der sozialen Systeme. Statt die Aufgaben gleichzeitig anzugehen, hat die bisherige Regierung vielmehr versucht, die Aufgaben gegeneinander auszuspielen: Indem Kaczynski soziale Maßnahmen in den Vordergrund stellte, hat er die Wirtschaft vernachlässigt.



Quelle >>>

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