"Polen soll wieder ein Haus für alle Polen werden"
Donald Tusks Kabinett vereidigt - Schlüsselministerien an Parteilose und Koalitionspartner PSL - Streit über Einheitssteuer
Warschau - Polens Präsident Lech Kaczynski hat in einer feierlichen Zeremonie mit angespannter Miene sämtliche 18 Minister der Regierung Donald Tusk vereidigt. Sein Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski, der abtretende Regierungschef, blieb der Feier entgegen den Gepflogenheiten der Machtübergabe fern. Er habe schon zuvor einen Urlaub geplant, hieß es lapidar. Auf Tusk laste eine große Hoffnung der Polen, vor allem in wirtschaftlichen Belangen, erklärte Kaczynski in einer kurzen Ansprache. Tusk wiederum nannte "alles, was den Polen am meisten am Herzen liegt", als Priorität seiner Regierung und zählte Gesundheit, Löhne und Sicherheit auf. "Polen soll wieder ein Haus für alle Polen werden, egal wen sie gewählt haben", sagte Tusk. Ein Regierungsprogramm will er erst am kommenden Freitag präsentieren.
Zuvor hatte der Präsidentenpalast wochenlang vor allem gegen zwei Ministerkandidaten Tusks - Radoslaw Sikorski (Äußeres) und Zbigniew Cwiakalski (Justiz) - opponiert. Laut polnischer Verfassung muss der Ministerpräsident den Staatspräsidenten bei der Kabinettsbildung konsultieren, jener hat jedoch keinen Einfluss auf die Wahl der künftigen Minister. Im Falle Sikorskis hatte sich Kaczynski auf Geheimdokumente berufen. Kaczynski konnte Tusk allerdings in beiden Fällen nicht überzeugen. Polnische Beobachter werteten die Einwände Kaczynskis als Störmanöver missgünstiger Wahlverlierer.
Das Kabinett Tusk wurde am Freitag vereidigt, obwohl immer noch kein Koalitionsvertrag zwischen seiner liberalen Bürgerplattform (PO) und der gemäßigten Bauernpartei (PSL) vorliegt. Dessen für Donnerstag angekündigte Unterzeichnung war überraschend abgeblasen worden. Als Gründe hatten die beiden Koalitionspartner familiäre Gründe des Vizepremiers und PSL-Chefs Waldemar Pawlak genannt. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass es trotz weitgehender Übereinstimmung in vielen Bereichen immer noch große Differenzen in der Frage der Steuerpolitik gibt. Die PO hatte den Polen im Wahlkampf die Einführung einer Einheitssteuer (Flat Tax) von 15 Prozent versprochen, die PSL will einen ansteigenden Steuersatz.
In Warschau rechnet man mit einem Nachgeben Tusks. Er hat der kleinen PSL, die knapp neun Prozent der Stimmen erobert hatte gegenüber 41,5 Prozent für die PO, einen hohen Anteil an der Regierungsverantwortung übertragen. PSL-Chef Pawlak bekommt das einflussreiche Wirtschaftsministerium. Zudem stellt die Bauernpartei mit Marek Sawiski den Landwirtschafts- und mit Jolanta Fedak die Arbeitsministerin. Dagegen reklamierte die Bürgerplattform nur zwei Schlüsselministerien für sich. Ihr Generalsekretär, der umstrittene Breslauer Geschäftsmann Grzegorz Schetyna, wird Innen-, der PO-Europaabgeordnete Bogdan Klich Verteidigungsminister. Sowohl das Außen- wie das Justiz- und Finanzministerium wurden dagegen mit Parteilosen besetzt. Zwar wurde Radoslaw Sikorski auf einer PO-Liste ins Parlament gewählt, doch Parteimitglied ist der konservative neue Außenminister nicht. Gleiches gilt für Professor Zbigniew Cwiakalski (Justiz) und Jacek Rostowski (Finanzen). Allein die hohe Zahl von sechs Parteilosen deutet auf einen Stilwechsel gegenüber der streng parteipolitisch ausgerichteten Regierung Jaroslaw Kaczynski hin, in der die fachliche Eignung für ein Ministeramt oft zweitrangig war. Missverständnisse waren an der Tagesordnung, wie etwa Deutschland im Falle von Kaczynskis Außenministerin Anna Fotyga immer wieder erleben musste.
Dennoch höhnte Kaczynskis PiS bereits am Freitag über die angebliche Inkompetenz der Regierung Tusk. "Was macht ein Vermessungsingenieur als Schatzminister?", lästerte der Oppositionspolitiker Adam Rogacki (PiS) über Aleksander Grad (PO), der die Privatisierung wieder anstoßen will. Am Mittag traf sich die Regierung Tusk zu einer ersten Kabinettssitzung. Zunächst wird eine Revision der letzten Personalentscheidungen der Vorgängerregierung erwartet. Diese hatte noch am Donnerstag Dutzende von PiS-Mitgliedern auf sichere Verwaltungsposten berufen.
Quelle
Welt Online