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Donnerstag, 2. August 2007, 22:49

Lasst die Polen endlich rein!

Zitat


Der Staatssekretär im Arbeitsministerium Gerd Andres (SPD) hat vorgeschlagen, den deutschen Arbeitsmarkt für Arbeiter aus osteuropäischen EU-Ländern vorzeitig zu öffnen. Er hat recht.

Unter der rot-grünen Vorgängerregierung hatten die Deutschen eine Klausel ausgehandelt, mit der die Freizügigkeit für Arbeiter aus den neuen Beitrittsländern bis 2011 von einzelnen Nationen eingeschränkt werden kann. Dies sollte "Lohndumping" in Deutschland verhindern. Nun bedroht ein eklatanter Fachkräftemangel den Aufschwung.

Gerd Andres hat Recht. Die polnischen Klempner sollen kommen. Der von der Regierung Gerhard Schröder verfügte Zuzugsstopp für Arbeiter aus Osteuropa war ökonomisch unsinnig und politisch schädlich.

Ökonomisch unsinnig und politisch schädlich
Ökonomisch unsinnig war er, weil ein legaler Zuzug billiger Arbeitskräfte die Konkurrenz belebt, was der Wirtschaft nutzt. Das haben England und Irland erlebt, wo Polen mittlerweile im Dienstleistungssektor nicht wegzudenken sind. Ökonomisch unsinnig war er auch deshalb, weil er die Arbeiter aus dem Osten in die Schwarzarbeit abgedrängt hat, mit unangenehmen Folgen für hiesige Handwerker, für den deutschen Fiskus und für den Auftraggeber, der für schwarz und schlecht verlegte Fliesen keinen Schadensersatz fordern konnte.

Politisch aber war nur der Pipelinedeal Schröders mit Wladimir Putin schädlicher für das bilaterale Verhältnis der Polen und Deutschen als das Arbeitsverbot. Vorurteile auf beiden Seiten wurden bestärkt: auf deutscher Seite wurde das Bild des Polen als Autodieb ersetzt durch das Bild des Polen als Arbeitsplatzdieb. Auf polnischer Seite wurde das Bild der Deutschen als Revanchisten und potenzielle Räuber polnischen Eigentums ergänzt um das Bild der egoistischen Deutschen, die ehrlichen polnischen Arbeitern keine Chance geben wollen.

Die Deutschen haben nichts gegen den polnischen Klempner
Die Deutschen, scheint es, sind längst weiter als ihre frühere (und jetzige, noch zögernde) Regierung. Einer Forsa-Umfrage vom 1. August zufolge sehen 82 Prozent der Deutschen ihren Arbeitsplatz nicht durch osteuropäische Handwerker und andere Arbeitnehmer bedroht. Der Prozentsatz derjenigen, die doch Sorgen um ihren Job haben, ist erwartungsgemäß im Osten Deutschlands mit 33 Prozent doppelt so hoch wie im Westen mit nur 15 Prozent; und er steigt mit abnehmendem Einkommen: Deutsche mit weniger als 1000 Euro Haushaltseinkommen äußern sich mit 45 Prozent negativ über den Zuzug aus dem Osten. Doch darf man annehmen, dass diese Zahlen eher Vorurteile und Bildungsgrad der Betroffenen als ihre reale Konkurrenzsituation widerspiegeln.

82 Prozent, das bliebt festzuhalten, haben gegen den polnischen Klempner, der noch im Mai 2005 als Schreckgespenst der Gegner der EU-Verfassung in Frankreich herhalten musste, nichts einzuwenden. Es wächst auch im Bewusstsein der Europäer zusammen, was zusammen gehört.

Ob die Aufhebung des Arbeitsverbots für Osteuropäer tatsächlich dem "Öffnen der Schleusentore" gleichkäme, wie der Franktionschef der CSU im Bayrischen Landtag, Joachim Herrmann, feinfühlig warnte, darf außerdem bezweifelt werden. Mittlerweile haben sich die Polen zum Beispiel umorientiert. England und Irland sind die gelobten Länder für Fachkräfte. Man lernt in Osteuropa Englisch statt Deutsch, was ohnehin mehr Mobilität verspricht, und wartet nicht darauf, dass die Deutschen das Tor aufmachen.

Der Markt macht's
Durch den Wegzug von Facharbeitern ist sogar ein Fachkräftemangel in Polen entstanden. Als Ergebnis steigen die Preise für entsprechende Dienstleistungen. Das hat interessante Folgen. Beim neuen Aquapark in Breslau zum Beispiel, einem riesigen Konglomerat aus Schwimmbädern, Saunen, Fitnessbereichen, Cafés und anderen Freizeiteinrichtungen, wurden laut "Financial Times Deutschland" 80 Prozent der Handwerksaufträge an Deutsche vergeben. Fliesenleger kamen aus dem Erzgebirge, Schreiner aus Bayern, Maler aus Chemnitz. Begründung des polnischen Geschäftsführers: "Die Deutschen waren einfach billiger."

Der Markt macht's. Zu den ärgerlichsten Erscheinungen der Europa-Debatte gehört der regelmäßig heruntergebetete Spruch deutscher Europa-Freunde in Richtung Großbritannien (und des "neuen Europa" im Osten): "Ihr wollt, dass die Europäische Union nichts weiter ist als ein großer gemeinsamer Markt." Dabei wäre schon mal viel gewonnen, wenn die EU tatsächlich ein gemeinsamer Markt wäre, in dem sich Waren und Kapital, Menschen und Dienstleistungen völlig frei bewegen könnten.

Dann könnte man über weitere Schritte der Integration reden - und (apropos Ostsee-Pipeline und Raketenabwehr) über Fragen der politischen Solidarität. Also: lasst die Polen endlich rein, so lange es welche gibt, die kommen wollen!



Quelle >>>

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