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Mittwoch, 22. August 2007, 18:42

Wie Polen im Ausland Arbeit schaffen

Zitat


In Deutschland sind sie als Job-Konkurrenten gefürchtet - dabei profitieren gerade Länder ohne Hürden für Zuwanderer

London/Berlin - Noch liegt morgendliche Ruhe über der Londoner South Bank. Touristen schlendern an der Themse entlang, nebenan öffnet das Tate-Modern-Museum gerade seine Pforten. Jozef Baca nippt an einem Caffé Latte. "Zurück in die Slowakei zu gehen, das wäre der Albtraum", sagt der 26-Jährige. Am Abend wird Baca wieder hinter dem Tresen der "Zakudia Bar" stehen und Champagner-Cocktails für neun Euro an Finanzmanager aus der City verkaufen, die den Blick über den Fluss auf die St.-Pauls-Kathedrale genießen und das Leben feiern. "Hier ist so viel Geld unterwegs", sagt der junge Barkeeper. "Natürlich ist der Wettbewerb in London hart. Aber jeder hat eine Chance."

Jozef Baca ist einer von rund 70 000 Slowaken, die seit der EU-Erweiterung im Mai 2004 ihre Heimat verlassen und sich im Vereinigten Königreich niedergelassen haben. So wie Baca sind mehr als 80 Prozent der Immigranten aus dem Osten jünger als 34 Jahre, Singles und begierig darauf, sich in den britischen Arbeitsmarkt zu integrieren - der die Jobsuchenden vom Kontinent mit offenen Armen aufnimmt. Erste Studien belegen jetzt den positiven Effekt des Zuzugs aus Mittel- und Osteuropa - wirtschaftlich wie demografisch. Auch auf die Zahl der Arbeitslosen ist keine negative Auswirkung nachweisbar.

Politiker fürchten Angstdebatte

Beim Treffen der großen Koalition in Meseberg am Donnerstag und Freitag wird sich auch die Bundesregierung mit der Frage beschäftigen, ob Deutschland seinen Arbeitsmarkt 2009 für die Mittel- und Osteuropäer öffnet - oder auch die letzte von Brüssel eingeräumte Schonfrist in Anspruch nimmt und bis 2011 wartet. Spätestens dann müssen alle Mitglieder der Europäischen Union den uneingeschränkten Zugang ermöglichen. Neben Österreich ist die Bundesrepublik das einzige Mitglied, das nach wie vor an seiner restriktiven EU-Zuwanderungspolitik festhält.

Dabei wird die deutsche Wirtschaft von einem außerordentlichen Mangel an Fachkräften geplagt. Im Jahr 2014 drohen bis zu 95 000 Ingenieure und 135 000 Naturwissenschaftler zu fehlen. Der deutschen Wirtschaft beschert das Ausfälle von rund 20 Milliarden Euro. Gleichwohl tut sich die deutsche Politik schwer, ausländischen Fachkräften die Zuwanderung zu erleichtern - aus Sorge um eine Angstdebatte womöglich noch im Wahljahr 2009.

Auch in Großbritannien gab es einen Aufschrei, als die Briten feststellen mussten, dass weit mehr Arbeitssuchende nach 2004 auf die Insel strömten als prognostiziert. Vor dem Beitritt hatte die Blair-Regierung von maximal 13 000 pro Jahr gesprochen. Tatsächlich aber kamen laut Home Office bis Frühjahr 2007 bereits fast 400 000 Polen. Außerdem wanderten jeweils rund 70 000 Slowaken und Litauer sowie 90 000 Menschen aus den übrigen neuen Mitgliedstaaten zu. Mehr als 600 000 Mittel- und Osteuropäer zog es damit insgesamt seit 2004 nach Großbritannien.

In der Bevölkerung wuchs der Unmut; Experten warnten vor einer Überlastung der Sozialsysteme und Probleme der Integration. Ende 2006 reagierte die Regierung Blair auf die bevorstehenden Beitritte von Rumänien und Bulgarien. Arbeitgeber müssen für Jobsuchende aus diesen Ländern Genehmigungen beantragen.

Doch London befriedet damit eher populistische Unkenrufe, als dass es tatsächlich einen Misstand zu bekämpfen gegolten hätte. Stillschweigend denkt man bereits über eine neuerliche Liberalisierung nach. Denn wie im Nachbarland Irland hat sich der Zuzug aus dem Osten der EU positiv ausgewirkt. Eine neue Studie des britischen Arbeitsministeriums zeigt, dass der Zuzug selbst einer so großen Zahl neuer Arbeitskräfte keinerlei Effekt auf die Beschäftigungsrate von Einheimischen oder Nicht-EU-Migranten hat.

Forscher wiesen nach, dass bis zu 40 Prozent der EU-Zuwanderer, die normalerweise in den britischen Schwarzmarkt eingesickert wären, nun auf legalem Weg ihr Geld verdienen. Durch zusätzliche Steuereinnahmen, die dem Staat von den Neuankömmlingen zufließen, haben dem IPPR zufolge auch die öffentlichen Ausgaben für diese Bevölkerungsgruppe abgenommen. Eine Untersuchung des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) belegt darüber hinaus, dass die neuen Arbeitsnehmer mehr zu einem Anstieg des Angebots als der Nachfrage beitragen und daher nicht nachteilig auf die Inflation wirken. Studien in Schweden und Irland, die ebenfalls 2004 ihren Arbeitsmarkt öffneten, kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.

"Wir beobachten, dass Freizügigkeit eine Win-win-Situation für die jeweiligen Länder sowie die migrierenden Arbeitnehmer bringt: Engpässe auf dem Arbeitsmarkt können überbrückt werden, neue Arbeit wird geschaffen", sagte EU-Arbeitskommissar Vladimir Spidla. "Wenn in Deutschland die Bauwirtschaft dank Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten boomt, profitieren davon auch Glaser, Schreiner und Architekten in Deutschland." Arbeit schaffe Arbeit, so Spidla.

Einwanderung treibt Wirtschaft

Im Juni hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Deutschland zu einer Änderung seiner Einwanderungspolitik aufgefordert. Laut OECD-Migrationsbericht wird uns das Problem einer schrumpfenden Zahl der Erwerbstätigen schneller und härter treffen als viele andere Staaten.

Anfang des Jahres hatte die OECD eine Studie zu den Auswirkungen der Zuwanderung in Spanien vorgestellt, das in Europa seit einem Jahrzehnt die stärksten Zuläufe verzeichnet, Rumänen stellen nach Marokkanern und Ecuadorianern die drittgrößte Einwanderergruppe. Dem Bericht zufolge ist die Hälfte des jährlichen BIP-Wachstums von durchschnittlich 3,7 Prozent auf die Arbeitsleistung der rund drei Millionen Menschen zurückzuführen, die seit 2000 einwanderten. Die Arbeitslosenrate sank derweil von 19 Prozent (1994) auf jetzt knapp acht Prozent.

Die Promenade an der Themse füllt sich langsam, Bus-Ladungen strömen die South Bank hinunter. London ist Jozef Bacas Heimat geworden. "Hier habe ich meinen Job, meine Freunde", sagt der slowakische Barkeeper. "Aber vielleicht gehe ich doch noch mal woanders hin - nach Spanien. Da ist das Wetter besser."



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