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Donnerstag, 23. August 2007, 18:21

Deutschland wirft Polen Kunstraub vor

Zitat


Das Problem in der Argumentation: In Polen gibt es aber gar keine "Beutekunst" - eine Analyse

In der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek liegen Briefe von Goethe, Schiller und Luther, Notenblätter von Mozart, Bach und Beethoven, seltene Landkarten und illustrierte Handschriften. Auch die deutsche Nationalhymne von Hoffmann von Fallersleben liegt in Polen.

Die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin hatten die wertvollen Bestände aus Angst vor Luftangriffen der Alliierten nach Niederschlesien in Sicherheit gebracht. Nicht vorausahnen konnten sie allerdings, dass die Grenzen Polens auf der Potsdamer Konferenz 1945 nach Westen verschoben würden. Die wertvollen Kisten der Preußischen Staatsbibliothek befanden sich somit 1945 auf polnischem Boden. Im allgemeinen Nachkriegschaos gelang es polnischen Bibliothekaren, den kostbaren Schatz vor Plünderungen und der Deportation in die Sowjetunion zu retten und nach Krakau zu bringen.

Von "Beutekunst" in Polen war bisher nie die Rede. Nun aber wirft Tono Eitel, ehemaliger deutscher UN-Botschafter in New York und seit fünf Jahren mit den Kulturgüter-Verhandlungen betraut, den Polen vor, den Deutschen etwas gestohlen zu haben. Im Sammelband "Kulturgüter im Zweiten Weltkrieg: Verlagerung - Auffindung - Rückführung", kürzlich in Magdeburg erschienen, schreibt der 75-Jährige: "Grundsätzliche Beutekunstprobleme haben wir nur mit zwei ehemaligen Kriegsgegnern. Russland und Polen. Alle übrigen Staaten, auch von der Wehrmacht schrecklich verheerte, wie die Ukraine, haben sich für eine Politik der Restitution entschieden."

Das Problem: Russland und die Ukraine geben tatsächlich Beutekunst zurück, die von der Roten Armee im besetzten Deutschland beschlagnahmt wurde. Polen aber hat niemals Kriegsbeute in Deutschland gemacht. Es gibt also auch keine "Beutekunst" in Polen, was der ausgebildete Jurist Eitel auch weiß. Dass er dennoch den schweren Vorwurf erhebt, hat wohl mit der niederschmetternden Bilanz der bisherigen Verhandlungen zu tun: In 15 Jahren hat Deutschland nichts erreicht. Dabei ist die Interessenslage klar: Die Deutschen möchten die wertvolle Sammlung gerne wieder in Berlin sehen, während die Polen eine Kompensation für die enormen Kulturverluste anstreben, die sie durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg erleiden mussten.

Ein Trümmerhaufen

Die Glasurne mit den Ascheresten eines verkohlten Buches kennt auch Eitel. Von der einst berühmten Krasinski-Bibliothek in Warschau ist nur dieses Aschehäuflein übrig geblieben. Die Urne gilt als Symbol der deutschen Kulturverachtung gegenüber Polen. Nach dem Warschauer Aufstand 1944 zerstörten die Nazis drei Monate lang Polens Hauptstadt, fackelten die Nationalbibliothek ab, hunderte andere Bibliotheken sowie Archive mit wertvollen mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften. Von Polens Kulturerbe blieb nur ein riesiger Trümmerhaufen übrig.

Zuvor hatte bereits die "Haupttreuhandstelle Ost" im Auftrag von Reichsmarschall Göring Museen und Schlösser, Gutshäuser und Stadtpalais in Polen ausgeraubt. Ziel der Nazis war es, die Juden physisch und die Polen kulturell zu vernichten. Experten schätzen allein die materiellen Kulturverluste Polens im Zweiten Weltkrieg auf einen Wert von heute rund 20 Milliarden Dollar.

Dass die Deutschen von "Beutekunst" sprechen und der Pflicht des ehemaligen Kriegsgegners, diese zurückzugeben, sei so, als würde "ein Einbrecher unser Haus ausrauben, es dann in Brand setzen, bei der Flucht seinen Mantel verlieren - und ihn heute als sein rechtmäßiges Eigentum zurückfordern", schreibt der Kunsthistoriker Wlodzimierz Kalicki in der Gazeta Wyborcza. "Zurückgeben will uns der Einbrecher nur das, was er heute noch in seiner Wohnung findet, aber auch nur unter der Bedingung, dass wir ihm zuerst seinen Mantel aushändigen. Über unser verbranntes Eigentum will er erst gar nicht reden, da es sich ja ohnehin in Rauch aufgelöst habe." Niemals werde sich Polen auf eine Rückgabe der "Berlinka" ohne Wiedergutmachung der eigenen Kulturverluste einlassen.

Schon vor Jahren hatte Kalicki in seinem Buch "Der letzte Kriegsgefangene des Großen Krieges" eine politische statt einer juristischen Lösung vorgeschlagen: Deutschland könne z. B. eine Stiftung mit einem großzügigen Stammkapital ausstatten, von dessen Zinsen Polen dann Kunstwerke kaufen könne, wie sie einst von den Nazis zerstört wurden.

Arroganter Deutscher

Eitel aber will davon nichts wissen. Der Diplomat beharrt darauf, dass Polen die Haager Landkriegsordnung von 1907 verletzt und nach 1945 völkerrechtswidrig Kulturgut gestohlen hätte. Vor zwei Jahren brachen Polens Diplomaten entnervt die Verhandlungen ab. Für sie verkörpert Eitel den Typ des arroganten Deutschen, der die angeblich minderwertige Kultur der einstigen "slawischen Untermenschen" bis heute verachtet.

Als die FAZ vor ein paar Tagen über die gescheiterten Verhandlungen berichtete und den Polen dafür die Schuld in die Schuhe schob, brach an der Weichsel ein Sturm der Entrüstung los. Es handle sich um eine gezielte Provokation der Deutschen. Schon der Titel "Rückgabe von Beutekunst. Die letzten deutschen Kriegsgefangenen" zeige dies. Die Armee habe niemals Beute in Deutschland gemacht. Zudem sei die "Berlinka" jedem Forscher, der nach Krakau komme, jederzeit zugänglich. Außenministerin Anna Fotyga gab sogar eine Erklärung ab: Die Deutschen versuchten einmal mehr, "die Unterschiede zwischen Tätern und Opfern zu verwischen."


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