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Mittwoch, 29. August 2007, 08:28

Ärzte in Polen - ohne Rechte, ohne Einfluss

Zitat


Orthopäde berichtet in Heidelberg über Besuch in seiner alten Heimat / Lange Arbeitszeiten, schlechte Vergütung

HEIDELBERG. Sie haben das polnische Versorgungssystem satt und wollen ihrem Land den Rücken kehren: Nach Berichten der polnischen Ärztekammer will jeder dritte junge Arzt unter 35 Jahren auswandern - insgesamt sind es über 10 000 Mediziner.

Vor "erschreckende Parallelen" zwischen dem deutschen und dem polnischen Gesundheitssystem hat der Orthopäde Winfried von Loga gewarnt. Vor wenigen Wochen ist er in seiner alten Heimat Polen zu Besuch gewesen, um dort an einem Jahrestreffen der Pommerschen Akademie der Medizin in Stettin (PAM) teilzunehmen. Bei einer Veranstaltung von MEDI in Nordbaden berichtete er jetzt in Heidelberg über seine Erfahrungen.

So habe man in Polen beispielsweise bereits 2003 erfolglos einen Nationalen Gesundheitsfonds (NFZ) eingerichtet. Diese zentralisierte und öffentliche Gesundheitsversicherung habe die Situation der Ärzte - sowohl in den Kliniken als auch in der Praxis - jedoch eher verschlechtert als verbessert.

"Der Arzt in Polen hat keine Rechte, er hat keinen Einfluss weder auf die Höhe der Vergütung noch auf die Erstellung des Leistungskataloges, den er zu erfüllen hat", berichtete von Loga aus einem Gespräch mit seinem polnischen Kollegen Dr. Mirek K., der als Gynäkologe in der Nähe von Stettin arbeitet.

Niedrige Löhne, enge Klinikbudgets

Viele polnischen Ärzte seien aufgrund von engen Klinikbudgets gezwungen, bei niedrigen Löhnen bis zu 100 Stunden in der Woche für ihre Patienten da zu sein. Bei rund 1550 Zloty (etwa 450 Euro) liegt derzeit der durchschnittliche Lohn eines angestellten Klinikarztes in Polen. Von 1500 Zloty kann jedoch auch in Polen kaum eine allein stehende Person, geschweige denn eine drei- oder vierköpfige Familie leben. Die schlecht bezahlten Überstunden seien bei den meisten Krankenhausbeschäftigten verhasst. In einem Warschauer Krankenhaus traten Ärzte im Juli sogar vorübergehend in einen Hungerstreik.

Nicht anders geht es den niedergelassenen Ärzten. Die NFZ-Vertragsärzte müssten ihre Dienste in akuten Fällen immer zur Verfügung stellen - auch wenn ihr Budget erschöpft sei, so von Loga. Die Mediziner kämen dabei bei all ihrer Arbeit finanziell kaum über die Runden. Ein Kollege habe ihm berichtet, dass ein Arzt, wenn er bei einem Patienten die notwendigen Untersuchungen zur Feststellung einer Diagnose veranlasse, damit quasi seinen eigenen Verdienst reduziere.

Koste beispielsweise eine Untersuchung 100 Zloty (umgerechnet 29 Euro), so sei der Arzt dennoch nur berechtigt, an das NFZ eine Liquidation maximal in Höhe von 49 Zloty (14 Euro) auszustellen. Die Differenz müsse der Mediziner als unbezahlte Arbeit für den Gesundheitsfonds erbringen und aus eigener Tasche bezahlen.

Die Folge: Auf eine gynäkologische Beratung und Untersuchung ein bis zwei Monate zu warten, sei für Patientinnen nicht die Ausnahme. Von Loga: "In der Kardiologie ist dies noch schlechter, hier betragen die Wartezeiten sechs Monate und mehr und bei geplanten augenärztlichen Eingriffen beträgt die Wartezeit bis zu einem Jahr."

Eine andere Kollegin, die seit Jahren als Kinderärztin in einer Poliklinik (Modell: MVZ) arbeite, habe zudem berichtet, dass das Gros der Grundversorgung mittlerweile aus privaten Mitteln der Patienten bezahlt werden muss. Grundsätzlich würden Ärzte in den Polikliniken von 8 bis 18 Uhr arbeiten. 80 bis 100 Patienten am Tag zu behandeln, dies sei nach Urlauben oder in Grippezeiten keine Seltenheit. Die Patienten müssten sich in Registrierlisten eintragen und lange Warztezeiten in Kauf nehmen. Am Samstag und Sonntag sei die Poliklinik geschlossen, eine akute Hilfe bekomme der Patient in einer Art Notaufnahmeambulanz des nahen Krankenhauses.

Regionale Ärztenetze - eine echte Option

"Gerade angesichts solcher Entwicklungen müssen wir deutschen Ärzte im Interesse unserer Patienten mit mehr Selbstbewusstsein auftreten, um so weit zu kommen, dass wir die Vergütung unserer Leistungen bestimmen und nicht von den Krankenkassen vorschreiben lassen", zieht von Loga ein Fazit aus den Berichten aus seiner alten Heimat. Grundvoraussetzung dafür sei, dass sich die Ärzte in fachübergreifenden, regionalen Ärztenetzen organisieren müssten, sagte von Loga.


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