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Sonntag, 2. September 2007, 01:56

Wir wollten den Polen helfen

Zitat


Helmut Schmidt wehrt sich gegen den Vorwurf, seine Ostpolitik sei mit Berührungsängsten gegenüber den osteuropäischen Freiheitsbewegungen einhergegangen. Seiner Ansicht nach haben vielmehr die Machtverhältnisse des Kalten Krieges die Entspannungsbemühungen der Bundesregierung massiv behindert.

In der "Welt am Sonntag" vom 5. August 2007 hat Dr. Jerzy Macków sich mit Aspekten des deutsch-polnischen Verhältnisses zu Anfang der 80er-Jahre beschäftigt. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass seit 1980 führende deutsche Politiker, die er namentlich aufführt, "Berührungsängste" gegenüber der polnischen Freiheitsbewegung Solidarnosc gezeigt hätten. Zu diesem Ergebnis kann man nur dann kommen, wenn man die Entwicklung hin zur KSZE-Schlussakte in Helsinki und die ihr nachfolgenden Ereignisse außer Acht lässt.

Die seit dem Frühjahr 1974 von mir geleitete Bundesregierung hat sich für das Zustandekommen der KSZE-Schlussakte und ihres Korb III gegenüber der neu ins Amt gekommenen und zunächst skeptischen amerikanischen Regierung unter Gerald Ford mit Nachdruck eingesetzt. Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat sodann im Sommer 1975 unter Korb III ("Human Aspects of Security") die Menschenrechte postuliert - ein für alle Polen und alle Deutschen wichtiger Akt. Wir gingen davon aus, dass die Unterschriften Leonid Breschnews und aller anderen kommunistischen Staatschefs im Osten Europas der demokratischen Opposition Solidarnosc in Polen und den Freiheitsbewegungen in der Tschechoslowakei und in Ungarn helfen würden. Das haben sie auch getan. (Dr. Macków kann das aus eigenem Erleben kaum wissen, weil er 1975 erst 14 Jahre alt wurde; er hätte es aber nachlesen können.)

Kalter Krieg lähmt Außenpolitik

Die Machtverhältnisse des Kalten Krieges hatten es seit 1969 Willy Brandt und später mir sehr schwer gemacht, gegen eine starke CDU/CSU-Opposition und angesichts unserer sehr skeptischen westlichen Verbündeten unsere auf Entspannung gerichtete Ostpolitik einzuleiten und fortzusetzen. Die westdeutschen Regierungen konnten ihre Ostpolitik selbstverständlich nicht mit den unterdrückten Oppositionellen im Osten Europas und in der damaligen Sowjetunion ins Werk setzen, sondern allein in prekärer diplomatischer Zusammenarbeit mit den dortigen Regierungen. Schließlich setzte der Westen in Helsinki die Anerkennung der Menschenrechte durch, dafür erhielt der Osten die Festschreibung der Grenzen - ein friedensdienlicher Kompromiss!

Dr. Macków weist zutreffend darauf hin, dass die Bundesregierung unter Helmut Kohl erst 1990 die Oder-Neiße-Grenze formal anerkannt hat (ich hatte das bereits 1975 durch meine Unterschrift in Helsinki getan); die CDU/CSU hat ja 1975 (gemeinsam allein mit Enver Hodschas Albanien!) die Ergebnisse von Helsinki abgelehnt. Jedoch hat Macków unrecht, wenn er schreibt, die von der Kohl-Regierung bis 1990 als offen interpretierte Grenzfrage sei die "de facto wichtigste Legitimation der kommunistischen Herrschaft in Polen" gewesen. Tatsächlich lag die entscheidende "Legitimation" der kommunistischen Herrschaft in der Präsenz der enormen militärischen Macht der Sowjetunion und in der Breschnew-Doktrin.

Große Symathie für polnische Bevölkerung

Und ebenso ist es eine Tatsache, dass es in meiner Bundesregierung große Sympathie für die bedrängten Menschen in Polen gab. Sonst hätte ich nicht am 18. Dezember 1981, fünf Tage nach Ausrufung des Kriegsrechts in Polen, im Bundestag gesagt: "Ich stehe mit ganzem Herzen auf der Seite der Arbeiter." Gleichzeitig habe ich zu privaten Hilfssendungen aufgerufen; tatsächlich sind dann bis Ende des Jahres 1981 zwei Millionen westdeutsche Hilfspakete nach Polen gegangen.

Wer meinen politischen Lebensweg kennt, kann mir nicht unterstellen, ich hätte 1981 (Macków irrt sich, wenn er meinen Besuch in Güstrow auf den 13.12.1982 datiert) den polnischen Freiheitskampf nicht respektiert. Tatsächlich musste ich im Laufe des ganzen Jahres 1981 mit der Möglichkeit eines gewaltsamen Eingreifens der Sowjetunion rechnen; ich kannte den sowjetischen Aufmarsch an der polnischen Grenze und die Alarmbereitschaft der sowjetischen Truppen in der DDR. Deshalb habe ich schon Monate vor der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen dem DDR-Staatschef Honecker meine dringende Warnung übermitteln lassen, sich im Falle einer sowjetischen Intervention in Polen auf keinen Fall mit Truppen der DDR zu beteiligen. Und deshalb hatte ich meinen verabredeten Besuch bei Honecker wegen eines anscheinend bevorstehenden sowjetischen Eingriffs bereits zweimal verschoben.

Von Kriegsrecht überrascht

Am letzten Tag des Besuches erfuhr ich von der mich nunmehr überraschenden Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski, der nach meinem damaligen Eindruck dadurch einem sowjetischen Eingreifen zuvorkommen und Moskau beruhigen wollte. Deshalb habe ich am 13. Dezember 1981 gesagt: "Ich bedaure, dass dies nun notwendig war." Damit war gemeint: notwendig, um einen sowjetischen Einmarsch überflüssig zu machen. Nicht nur einige Kommunisten, sondern auch einige Politiker der damaligen CDU/CSU haben diesem Satz absichtlich einen ganz anderen Sinn unterlegt. Herr Macków hat sich dieser Verdrehung bedient. Ich selbst habe in meinem Buch "Die Deutschen und ihre Nachbarn" 1990 ausführlich über die ganze Episode berichtet.

Verfolgt man meinen Lebenslauf einigermaßen sorgfältig, dann weiß man, dass ich 1966 meinen ersten Besuch in Polen machte; dass ich seit den 1960er-Jahren für die Endgültigkeit der Oder-Neiße-Grenze eingetreten bin und dass ich später als Regierungschef mit Papst Johannes Paul II. und mit dem gleicherweise polnischen Kardinal Glemp im Kontakt über die polnischen Entwicklungen stand. Übrigens schließt 1990 das unseren polnischen Nachbarn gewidmete Kapitel meines Buches mit den Worten: "Uns Deutschen kann es nur gut gehen, wenn es ihnen gut geht; deshalb müssen wir lernen, uns in die schwierige Situation Polens einzufühlen und sie zu verstehen." Das gilt heute, morgen und übermorgen genauso.



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