
Somit war ich dann nach den Kindertagen wieder "ganz dicht an Polen dran". Das Leben schrieb jedoch eine andere Regie und diese führte mich vorerst wieder von Polen weg. In dem Betrieb, in dem ich beschäftigt war, waren über viele Jahre hinweg Aufträge für die frühere Sowjetunion zu erfüllen. Kinder meines Jahrganges hatten in der früheren DDR selbstveständlich Russisch gelernt. Da im Betrieb bekannt war, dass ich einen guten Lehrer gehabt hatte und auch etwas Russisch sprach, erhielt ich nun vor allem Arbeiten mit Unterlagen in russischer Sprache. Nun, ich hatte zwwar einen guten Lehrer, der übrigens nicht einmal wirklich Lehrer war, sondern als Russisch-Dolmetscher gearbeitet hatte, es aber sehr gut verstand, das Interesse an einer fremden Sprache zu wecken, reichte das dennoch nicht für alle Fachgespräche. Ich mußte mich also vor allem gründlicher mit der russischen Sprache beschäftigen.
Polen und Schlesien war damit zu einem Thema geworden, dass vor allem in der Familie auf der Tagesordnung stand. Während meiner Arbeit in Polen hatte ich es möglich gemacht, auch die Region Schlesien etwas kennen zu lernen. Ausserdem hatte ich natürlich polnische Autokarten. So wollte vor allem meine Großmutter wissen, ob es die Orte ihrer Kindheit noch gibt, wie sie jetzt heißen, sie bat mich, einmal nach der Schule zu sehen, in welche sie gegangen war und ich musste Fotos von dem Gut machen, in dem sie gearbeitet hatte. Das alles wurde dann Gesprächsthema während der Familienfeiern oder den Besuchen an den Wochenenden.
Es verging sehr viel Zeit bis zur nächsten Begegnung, die ich mit Polen direkt hatte. Sie ergab sich aus einer Einladung, in Krakow an einer Konferenz teilzunehmen. Ich habe mich also in das Auto gesetzt und bin alleine nach Krakow gefahren. Diese Betonung der Tatsache, dass ich alleine mit dem Auto gefahren war, mag verwundern, ist jedoch vor allem deshalb wichtig, da mir wegen einer Krankheit inzwischen das rechte Bein amptiert werden musste. Ich war also in der Zwischenzeit zum Rollstuhlfahrer geworden und als solcher ganz allein bis nach Krakow zu reisen, das hatte dann doch viele arg verwundert. Ich habe es dennoch getan.
Die Konferenz war ein großes Erlebnis. Dass mir auch bei dieser Reise viel Gastfreundschaft und Freundlichkeit begegnet, will ich nur erwähnt haben. Das kannte ich aber schon von früheren Aufenthalten in Polen her und hatte weitgehend auch damit gerechnet. Dennoch gab es auch Dinge, die mich irgendwie überraschten. So mußte ich natürlich in Polen mehrfach an die Tankestelle fahren und Tanken. In Polen erledigte das jedoch stets ein Tankwart. Bei dieser Reise nach Polen habe ich das Auto nicht ein einziges Mal selbst betankt. Das hat immer jemand der Mitarbeiter für mich erledigt. Von Deutschland kannte ich das überhaupt nicht. Da stehen die Mitarbeiter wie festgenagelt hinter der Kasse und warten darauf, dass man kommt und das Geld abliefert.
Bleibt, den Eindruck von Krakow aus dem Blickwinkel eines Rollstuhlnutzers zu erwähnen. Nun, ich habe auch in Krakau jene Probleme gefunden, die ich ebenfalls aus Deutschland kenne: Eine viel zu steile Schräge am Hoteleingang, ein Lift, der für einen Gast mit Rollstuhl viel zu klein ist, und noch ein paar ähnliche Dinge. Insgesamt hat mich Krakow aber positiv überrascht. In der Innenstadt konnte ich mich selbstständig ohne Hilfe mit Rollstuhl bewegen. Ich konnte Gaststätten aufsuchen und Sehenswürdigkeiten besuchen. In dieser Hinsicht erlebte ich also Krakow als Stadt, die mit deutschen Städten durchaus vergleichbar ist. Diese Erfahrung war für mich Anlass, über eine weitere Reise nach Polen nachzudenken.
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