Mit Kampagnen sollen Auswanderer zurückgelockt werden - Hoffnung, dass in Westeuropa gemachte Erfahrungen eine Öffnung der Gesellschaft bewirken
Wie viele Polen seit dem EU-Beitritt des osteuropäischen Landes im Jahr 2004 ihre Heimat verlassen haben, weiß niemand. Die Angaben reichen von 1,2 bis zwei Millionen, das wären fast fünf Prozent der Bevölkerung. Mindestens drei Millionen sollen in den vergangenen Jahren zumindest vorübergehend im Ausland gearbeitet haben, wird geschätzt.
Nur die Hälfte will zurück
Die Hälfte der Polen, die nach Großbritannien oder Irland gegangen sind, um dort zu arbeiten, hat nicht vor, in nächster Zukunft in die Heimat zurückzukehren. Wenn, dann wollen sie dies erst in fünf bis zehn Jahren tun, geht aus einem vom Institut ARC Rynek i Opinia erstellten Bericht hervor, der in der Zeitung "Gazeta Wyborcza" veröffentlicht wurde. Die Umfrage wurde unter 1.389 Personen in Flugzeugen, in Bussen und auf Flughäfen in Großbritannien und Irland durchgeführt.
Rafał Dutkiewicz, der Bürgermeister der westpolnischen Stadt Wrocław (Breslau), hat die Kampagne "Wroc-Loves you" ins Leben gerufen. Mit Inseraten in polnischsprachigen Zeitungen, durch persönliche Beratung und mit einer [COLOR=indigo]Webseite[/COLOR] sollen Auswanderer zurückgelockt werden. Im Gespräch mit der Londoner [COLOR=indigo]Times[/COLOR] erzählt Dutkiewicz über seine Erfahrungen bei zahlreichen Reisen nach Großbritannien: "Diese Leute verlassen Polen nicht ausschließlich wegen des Geldes. Sie glauben nicht mehr an Polens Zukunft".
Der parteilose Bürgermeister, der als möglicher Präsidentschaftskandidat der liberalen Bürgerplattform (PO) bei den nächsten Wahlen gehandelt wird, setzt große Hoffnungen in die Fußball-Europameisterschaft 2012, die Polen gemeinsam mit der Ukraine veranstaltet. Für die Großveranstaltungen sind zahlreiche Investitionen in die Infrastruktur geplant, was die Löhne in der Baubranche in die Höhe treibt: um acht bis zehn Prozent stiegen sie in der jüngsten Vergangenheit jährlich.
Erste Rückkehrer
Die polnische Botschaft in London meldet mittlerweile, dass eine erste Rückkehrwelle eingesetzt hat. Die Heimkehrer üben einen wichtigen Einfluss auf die polnische Gesellschaft aus: wer im Ausland erfolgreich war, will sich auch zu Hause nicht mehr alles bieten lassen. Beobachter sprechen von einer Öffnung der polnischen Gesellschaft "von unten".
Die Emigranten haben gelernt, moderne Kommunikationstechnologien zu benutzen, um die Verbindung mit ihren Familien aufrecht zu erhalten: 60 Prozent der Polen in Großbritannien sind regelmäßig im Internet, vor allem Chat- und Messengerservices erfreuen sich großer Beliebtheit.
Die Unternehmerin Anna Paś, die in Dublin zwei Zeitschriften für die polnische Community herausgibt, berichtet in der FAZ über ihre Erfahrungen in Irland: "Die Behörden erklären dir ganz genau, was du tun musst, um eine Firma zu gründen. In Polen wäre es unmöglich, das ohne Kontakte oder viel Geld zu schaffen."
Erste Anzeichen einer Öffnung der polnischen Gesellschaft sind jedenfalls schon zu beobachten: während Erziehungsminister Roman Giertych gegen die "Homosexuellen-Propaganda in der EU" wettert, liegt die Zustimmung zur Europäischen Union laut aktuellem [COLOR=indigo]Eurobarometer[/COLOR] zehn Prozent über dem europaweiten Durchschnittswert.
Und sogar Präsident Lech Kaczynski, der vor seinem Amtsantritt laut eigenen Angaben nur einmal in Deutschland war (er stieg am Frankfurter Flughafen um), soll sich mittlerweile in einer der zahlreichen neue eröffneten Sprachschulen eingeschrieben haben, um dort Englisch zu lernen.
Zurückgekehrte Auswanderer könnten Polen verändern
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