16.04.12
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Erst vor 20 Jahren gestand der Kreml seine Schuld am Mord von 22.000 Polen in Katyn ein. Die Aufarbeitung geschehe bis heute nur widerwillig und unzureichend, urteilt das Menschenrechtsgericht. Von Gerhard Gnauck
Das Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Montag verkündete, sei "der für Polen bisher wichtigste Straßburger Urteilsspruch", schrieb eine Warschauer Zeitung. Doch zunächst herrschten bei den Klägern am Montag gemischte Gefühle.
Geklagt hatten Angehörige von insgesamt etwa 22.000 Polen, die 1940 von der sowjetischen Geheimpolizei in Lagern festgehalten und auf einen zentralen Befehl hin in Katyn und anderen Orten ermordet worden waren.
"Die Täter, die unsere Angehörigen in den Hinterkopf geschossen haben, leben nicht mehr", seufzte Izabela Saryusz-Skapska, die Vorsitzende des Opferverbands. "Doch ihre Namen wollen wir kennen."
Ermittlungen wurden 2004 eingestellt
Mit dem Urteil hat die Aufarbeitung eines großen Verbrechens eine neue Etappe erreicht, doch vermutlich nicht die letzte. Es geht um polnische Offiziere, Beamte und andere, die im Herbst 1939, als die Rote Armee gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt den Ostteil Polens besetzte, gefangengenommen wurden. Sie wurden 1940 erschossen.
Als 1941 die Wehrmacht nach Osten vorrückte, wurden die Massengräber entdeckt. Das hinderte die Sowjets nicht daran, die Schuld an den Morden den Deutschen zuzuschieben und sieben gefangene deutsche Offiziere deswegen zum Tode zu verurteilen.
Erst seit der späten Gorbatschow-Ära bekannte sich Moskau zu seiner Verantwortung. 1990 wurden Ermittlungen aufgenommen, die jedoch 2004 eingestellt wurden.
Russland hält Akten zum Massaker geheim
Entsprechend ging es im Prozess nicht um die Schuld am Massaker. Die Klage richtete sich vielmehr darauf, wie die russischen Behörden nach 1990 den Fall Katyn aufgeklärt haben. Sieben Richter fällten in der Straßburger Kammer das Urteil, darunter eine Deutsche, wobei ihre Kollegen aus Russland und der Ukraine ein abweichendes Votum abgaben.
Die Kammer rügte die Weigerung Russlands, den Angehörigen Einsicht in die Ermittlungsakten zu gewähren. Auch dem Gerichtshof selbst habe Moskau die als vertraulich eingestuften Akten vorenthalten.
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Bisher waren die russischen Behörden davon ausgegangen, dass "der Begriff Kriegsverbrechen ausschließlich die Taten deutscher Verbrecher und ihrer Verbündeten betrifft", wie ein mit dem Fall befasster Jurist erläuterte. Deswegen waren die Morde von Katyn nach russischer Auffassung längst verjährt.
Nach dem Urteil wollen jetzt auch die Opfer der sogenannten Razzia von Augustow den Gerichtsweg beschreiten. In Augustow im Nordosten Polens hatten sowjetische Einheiten im Sommer 1945 knapp 600 gefangene Polen ermordet. Erst im vorigen Jahr hatte der russische Historiker Nikita Petrow Dokumente darüber entdeckt.