Donald Tusk spricht heute in Berlin mit Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Köhler und wird wohl den Vorschlag vorstellen, in Danzig ein Museum einzurichten, das nicht nur Vertreibungen gewidmet ist, sondern allen Aspekten des Zweiten Weltkriegs.
Damit zielt der polnische Ministerpräsident in die richtige Richtung, denn die Flucht und Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung vor und nach Kriegsende bildet nur einen winzigen Ausschnitt der geschichtlichen Ereignisse. Polen ist übrigens, was in Vertriebenenkreisen gerne übersehen wird (ich bin übrigens ein "Vertriebener der Enkelgeneration", wie mir einmal ein Vertriebenenfunktionär erklärt hat, darf mir also erlauben, das Wort zu ergreifen), 1945 vom Regen in die Traufe gekommen. Unzählige Polen sind von den Sowjets ab Frühjahr 1945 verschleppt worden, eine diktatorische Besatzung des Landes löste die nächste ab.
Ich bin übrigens gegen die Schaffung einer neuen Dokumentationsstelle, eines neuen Zentrums, eines neuen Museums, egal ob es in Berlin, in Görlitz, Breslau oder Danzig stehen sollte. So etwas brauchen wir nicht wirklich.
Was wir brauchen, sind Gelder für die geschichtswissenschaftliche Forschung in den Regionen. Gebt das Geld, das für ein Vertriebenenzentrum, Museum oder sonstwas vorgesehen sein soll, lieber den Universitäten und historischen Forschungsinstituten, damit sie VOR ORT forschen und dokumentieren können!!!
Betrachtet man nur den Zeitabschnitt 1939-1945, gibt es noch immer sehr viele Detailfragen zu klären. Wenn ich auf meine Wahlheimat blicke, muss ich feststellen, dass die letzte (und einzige) umfassende Abhandlung über die NS-Besatzung aus dem Jahr 1968 stammt!!! Die Zeit ab Frühjahr 1945 ist überhaupt noch nicht annähernd vernünftig beschrieben worden, weder auf Polnisch, geschweige denn auf Deutsch!
Dafür sollte man sich stark machen, dass nämlich (wenn wir beim Zeitraum 1939-1950 bleiben, um auch das Schicksal der deutschen Bevölkerung im Nachkriegspolen einzuschließen) in jeder Kreisstadt zwei bis drei junge Historiker zwei-drei Jahre lang das Geld haben, vor Ort Quellen zu erschließen, in die Archive zu blicken, die noch wenigen vorhandenen Zeitzeugen zu befragen, um danach eine wissenschaftliche Dokumentation (in traditioneller Buchform, aber auch Internet, Wanderausstellungen etc.) zu erstellen.
Reines Wunschdenken, ich weiß, aber das wollte ich einmal loswerden, bevor ich mir heute in den Abendnachrichten das Geplänkel über Vertriebenenzentrum hin, Vertriebenenzentrum her reinziehen muss ...
Schönen Gruß in die Runde 