Beiträge von Bernd198

    Hallo Heidi,

    vielen Dank für Deinen ausführlichen und interessanten Beitrag!

    Ja, es ist alles so wie Du es geschildert hast. Als Kind haben mir meine Eltern manchmal sehr leid getan. Sie haben alles verloren und es war unglaublich schwer für sie, die neue Lebenssituation zu meistern. Mein Vater hat für unsere Familie ohne Starkapital ein kleines Eigenheim gebaut, in dem ich mit meinen 5 Geschwistern behütet aufgewachsen bin. Wir Kinder mußten auf viele Dinge verzichten. Aber wir waren trotzdem glücklich, haben im angrenzenden Wald gespielt sind zum Schwimmen für 10 Pfennig ins Freibad gelaufen und zu Fuß auch wieder zurück. Wir hatten keinen Computer, kein Handy und keine elektronischen Spielkonsolen. Schwierig war die volle Anerkennung im neuen Umfeld, das hast Du richtig beschrieben. Unter uns Kindern war das nicht so schwierig wie bei den Erwachsenen, die oft Beleidigungen ertragen mussten.
    In Schlesien hätte unsere Familie sicher andere Möglichkeiten gehabt, denn meine Großeltern hatten eine eigene kleine Landwirtschaft. Aber die Geschichte ist geschrieben und wir wollen heute nur in Frieden leben.
    Ein Satz meines Großvaters geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Er hat in die Umschlagseite seines Gebetbuches geschrieben, "1. August 1946, endgültiger Abschied aus der Heimat". Wenn ich das heute lese bin ich immer noch sehr betroffen. Mein Großvater ist kurz nach der Vertreibung in Bochum vor Gram gestorben. In seiner Heimat hatte er alles verloren und wahrscheinlich wollte er einfach nicht mehr leben.
    Interessant an Deinem Bericht finde ich den Mann, der trotz Demenz Erinnerungen an seine Heimat abrufen konnte. Irgendwo sind bei dieser Krankheit anscheinend Erlebnisse die nicht verloren gehen.
    Als ich 2008 in Schlesien war, habe ich im Heimatort meiner Mutter schon einige neue Häuser gesehen. In Jauer habe ich einen polnischen Freund der mir ab und zu neue Bilder sendet und darauf konnte ich sehen, dass die Bautätigkeit noch zugenommen hat . Meine Mutter würde heute wahrscheinlich sagen, das ist nicht mehr mein Dorf. Ich habe sie 1996 noch fragen können, ob sie wieder zurückgehen würde wenn es möglich wäre, aber das wollte sie nicht mehr. Nach 50 Jahren wollte sie in unserem schönen, am Wald gelegenen Haus bleiben. Sie liebte die großen Buchen und ihren kleinen Garten inzwischen mehr als ihre alte Heimat. Mit meinem Vater war sie nur noch einmal , 1979, in der Heimat. Wie Du richtig geschrieben hast, können einige Schlesier nur schwer damit umgehen ihr Dorf und das Haus in dem sie gelebt haben wieder zu sehen. Das von Dir erwähnte Buch werde ich mir auch einmal besorgen.:-)
    Ich möchte nächstes Jahr wieder zu einem Besuch nach Schlesien, denn ich habe dort inzwischen gute Freunde gefunden.


    Ich wünsche Dir eine schöne neue Woche und bleib bei dem durchwachsenen Wetter gesund! :)

    Herzliche Grüße, Bernd

    Hallo Heidi,

    vielen Dank für Deine schöne und sehr interessante Nachricht.

    Die von Dir genannten Orte sind mir dem Namen nach bekannt und in Hirschberg war ich 2008 auf der Rückreise nach Deutschland. Als ich damals aus Richtung Jauer kommend in das Hirschberger Tal sehen konnte war ich ehrlich überwältigt. Eine wunderschöne Landschaft hat sich vor mir ausgebreitet. Auch die Fahrt nach Hirschberg ging durch eine fantastische Bergwelt und hat mich daran erinnert, daß ich meinen Eltern immer nur flüchtig zugehört habe wenn sie von ihrer Heimat erzählt haben. Das bereue ich heute sehr.

    Dein Vater war damals sicher noch zu jung um den Verlust der Heimat wie ein Erwachsener zu verstehen. Meine Eltern waren 24 und 29 Jahre alt als sie fort mußten. Beide haben natürlich schlesisch gesprochen. Für mich war das als Kind ganz normal. Dein Vater hat durch die Kindern in seiner neuen Umgebung eben eine "andere" Sprache gelernt. Obwohl meine Eltern und Verwandten schlesisch gesprochen haben, ist es mir wie Deinem Vater gegangen. Ich bin ja in Bochum geboren und habe auch die Sprache meiner Umgebung angenommen. Mein Bruder hat 1979 eine Reise nach Schlesien organisiert und unsere Eltern erst kurz vor Reiseantritt darüber informiert, daß er sie mitnehmen möchte. Das war natürlich eine große Überraschung. Aus meinen Kindertagen kannte ich meinen Vater nur als einen Mann der keine Gefühle zeigt. Wie mir aber mein Bruder berichtete, hat er in der Kirche, in der er auch Ministrant war bitterlich geweint. Auch meine Mutter hat Emotionen gezeigt die ich nur sehr selten bei ihr gesehen habe. Im Garten Ihres Hauses hat sie einen Apfelbaum gesehen den noch ihre Mutter gepflanzt hat. Diesen Apfelbaum hat sie weinend umarmt.

    Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute und danke nochmals sehr herzlich für Deine ausführliche und schöne Nachricht!

    Herzliche Grüße und an dieser Stelle auch an meinen lieben Freund Hartmut!

    Bernd

    Nach Breslau waren es etwa 90Km von Jauer. Nordöstlich von Breslau, In Groß Kaschütz, später Urdorf, ist mein Großvater geboren. Der Ort gehörte zur kath. Kirchengemeinde Powitzko. Nach Prausnitz war es nicht sehr weit. Vielleicht hast Du jetzt eine kleine Vorstellung von der Lage des Dorfes.

    Beziehungen nach Schlesien habe ich nicht mehr. Meine lebenden Verwandten mußten die Heimat damals verlassen. Die Eltern meines Vaters sind in der Nähe von Kamenz, in der DDR seßhaft geworden. Zwei meiner Tanten und ein Onkel sind bei den Eltern geblieben, die anderen Familienmitglieder sind im Ruhrgebiet "gelandet". Der Bruder meiner Mutter, heute übrigens 93 Jahre alt, ist in Hessen seßhaft geworden.

    Die Beziehungen zu Schlesien reißen bei mir trotzdem nicht ab. Mein Sohn hat eine Frau aus Oppeln geheiratet. Ihre Eltern sind aber Reichsdeutsche gewesen und in den 80er Jahren nach Westdeutschland umgesiedelt. Ob ich noch polnisch lerne kann ich nicht genau sagen. Alles was ich übersetzt haben möchte, kann mir meine Schwiegertochter übersetzen. :) Da neigt man etwas zur Trägheit. :)

    Herzliche Grüße,

    Bernd

    Hallo Heidi

    herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung!

    Meine Eltern haben sich als Schlesier deutscher Abstammung gefühlt. Sie sind im Kreis Jauer geboren und haben dort bis 1946 gelebt. In Schlaup bei Jauer ist meine Mutter geboren, mein Vater in Gräbel, Gemeinde Poischwitz, bei Bolkenhain. Meine Großmutter mütterlicherseits könnte allerdings polnische Wurzeln haben. Sie stammt aus der Kreuzburger Gegend. Aus Klein-Margsdorf, heute Markotow-Maly. Ihre Linie kann ich bis nach Bodland, Basan und Borkowitz im Jahre 1649 zurück verfolgen.Dabei tauchen immer wieder einmal polnische Namen auf.

    Leider war ich nach dem Tod meiner Eltern erst einmal in ihrer Heimat. Die Stätten zu sehen an denen sie als Kinder gespielt haben, zur Schule gegangen sind und am Sonntag zur hl. Messe, war schon sehr bewegend. Fasziniert hat mich auch die Landschaft, besonders die Gegend aus der mein Vater stammt. Heute kann ich den Schmerz meines Vaters verstehen, der besonders unter dem Verlust seiner Heimat gelitten hat. Als ich vor dem Grundstück meiner Großeltern in Schlaup gestanden habe, bin ich spontan von dem neuen Besitzer und seiner Frau zu Tee und Kuchen eingeladen worden. Wie alle Menschen die ich getroffen habe, waren sie sehr freundlich zu mir. Wie bei Dir war meine Reise nach Schlesien eine gute Erfahrung.

    Alles Gute, herzliche Grüße und einen schönen Sonntag wünscht,

    Bernd :)

    Mein Name ist Bernd und ich lebe im Nordwesten Deutschlands, nicht weit von der holländischen Grenze.
    Ursprünglich komme ich aus Bochum, wohin es meine schlesischen Eltern verschlagen hat.
    Alle meine Vorfahren kommen aus Schlesien. Ich gehöre zur ersten Generation die nicht mehr in
    Der Heimat der Eltern geboren ist.