Hallo zusammen,
geht ja wieder richtig die Post ab. Da will ich mitmischen 
Also erstmal Sarrazin: Ich HABE Kapitel seines Buches gelesen (ohne es zu kaufen, dem Kerl auch noch Geld in den Rachen werfen...), und JA, diese großen Stichproben reichen für ein fundiertes Urteil aus. Es handelt sich m.E. um gnadenlos schlechte Hirnkotze (przepraszam), ein unseriöses pseudowissenschaftliches Geschreibsel. Willkürliche Kollagen von Statistiken, verschmirgelt mit unreflektierten Zitaten, die dann seine Position bestärken. Eine (auch methodisch) gefährliche induktive Vorgehensweise, noch dazu mit nicht offen gelegten Prämissen (Sorry, ich unterrichte Forschungsmethodik und folglich auch "kritisches Lesen". Herr Dr. S. fällt sowas von durch.)
Jeder seine Punkte, die er anspricht, sind außerdem l ä n g s t Gegenstand seriöserer Diskussionen. Er hat gar nichts neues geschrieben - nur schlecht darüber. Die Probleme sind bekannt. Er surft lediglich populistisch auf einer Welle. Und: Er bietet keine Lösungen. Setzen, sechs.
Problematischer als Sarrazins schlechte Methodik ist sein durchscheinendes "Geschichtsbild", das ich tatsächlich im Grund für "faschistoid" halte, eine "heile" Gesellschaft anstrebend, in der alles so bleibt wie es ist. Aber: Jedes Land, jede Gesellschaft baut sich ständig um (soll heißen: schafft sich im Endeffekt ab). So wurden wir auch "christlich". Das war nie anders. Was wir zurzeit erleben, ist doch eher, dass dieses historische Faktum aufgrund anderer (v.a. ökonomischer) Faktoren zu Verunsicherung führt, und jetzt benutzt wird. Welche Waffen wurden in welchem Krieg in den letzten ca. 2000 Jahren nicht christlich gesegnet?
Und nun zum Islam (und Sarrazin). Waow, tolle Erkenntnis, der Koran ist vielfältig interpretierbar. Ich habe übrigens einmal komplett eine Koranübersetzung (reclam) gelesen, samt ein paar Einführungen in die Thematik Islam/Koran...). Stimmt, ist er, nämlich vielfältig interpretierbar; gar nicht leicht zu entscheiden, wann und unter welchen Umständen man nun Ungläubige metzeln darf. Überraschenderweise ist es die Bibel auch. Und wird genauso genutzt, je wie es in den Kram passt, wird Demut und "halte die andere Wange hin" oder "Zahn um Zahn..." gepredigt.
Die Moslems, die ich kenne (und kannte) neig(t)en jedenfalls nicht zum Steinigen ihrer Frauen, sondern eher zu den, sorry, humanistischen Elementen des Islams: Helfen, Respekt, Gastfreundschaft, ... ja ich glaube, der Islam wird zurzeit schlecht gemacht. Steinigen ist übrigens durchaus auch eine jüdisch-christliche Sitte (Alexis Sorbas spielt ja glaub ich in Griechenland).
Anbei: Ein Kernthema im Koran ist der Anspruch, die 5 Bücher Mose korrekt auszulegen und die "Verdreher" (Juden und Christen) anzugreifen. Und in den USA - wie wir alle wissen - gibt es starke chrislich-fundamentalistische Strömungen, die eine alttestamentarische Rechtsordnung anstreben (leider - ich sehe lieber die USA, die uns 45 befreit haben und in denen der Jazz entstand, und Kurt Vonnegut und Joseph Heller und Richard Powers ihre Bücher schreiben bzw. schrieben).
Dann der große Popanz "Parallelgesellschaft". Und die daraus folgenden Schlüsse: Warum muss ein Einwanderer, ob er nun aus Ghana oder aus der Türkei kommt, eigentlich deutsch lernen, wenn er hier leben will, zurecht kommt, keinem was tut (auch nicht seine Frau steinigt)?
Warum ist der Gesang eines Muezzin störender als ständiges Kirchenglockengebimmel? Für manche unserer Vorfahren waren wahrscheinliich Kirchtürme genauso provokativ wie es heute für viele Zeitgenossen Minarette sind. Sind nicht eigentlich Wotan und Odin Ausdruck unserer w a h r e n Kultur. Viel älter und länger hier gewesen als das Evangelium, weswegen ja gerne den frühen Missionaren in unseren Breiten unvorteilhaft die Axt der Sachsen im Kopfe stecken blieb, bis Widukind schwach wurde und Germanien sich abschaffte (ich hoffe, der sarkastische Anteil dieser Äußerung wird deutlich).
Und zum Schluss meines Sermons der Lesetipp der Woche: (Sir) Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. (The open society and its enemies), London (ich glaube 1946);
So, Dampf abgelassen.
Pozdrawiam
Winek