Naja, das ist natürlich ein sehr komplexes Thema und darüber könnte ich nach einem Jahr schon Bücher schreiben. Grundsätzlich ist die Kommunikation einfach erstmal indirekter als in Deutschland oder der Schweiz - und zwar erheblich. Und es wird an allen Fronten immer gegen den Staat gearbeitet - das ist wirklich schon auffällig. Familie ist extrem viel wichtiger als ich es bisher kannte, aber man muss sich da der Führung (aka Schwiegereltern) schon ein wenig unterordnen und gibt dadurch einen Teil seiner Selbstständigkeit auf. Im Alltag hörst Du bei Nachbarn und Freunden hörst du noch mehr Jammerei als in Deutschland oder der Schweiz - alle sind ganz ganz arm dran. Auf einige trifft das bestimmt auch zu, aber bei der grossen Masse ist das ein wenig Teil einer gewissen "Opfermentalität", in der man sich ganz wohl fühlt. Besuch kommt einfach wann er möchte - zu den ungewöhnlichsten Zeiten. Und der bleibt dann auch gerne mal eine Woche. Wenn man allerdings irgendwo hinfährt, wird man auch vor Ablauf einer Woche nicht mehr aus dem Haus gelassen - das ist also eine bidirektionale Freiheitsberaubung 
Die Leute sind bisher primär freundlich zu mir. Primär heisst, dass es sowas wie Fremdenfeindlichkeit natürlich gibt, aber da habe ich meine ganz eigene Strategie entwickelt. Entweder sage ich direkt, dass ich aus der Schweiz komme (dagegen haben sie in der Regel nichts) oder ich lasse es drauf ankommen, sage, dass ich aus Deutschland komme und höre mir in 10% der Fälle die Ablehnung gegenüber Deutschlands an. Ich sage dann einfach, dass ich Polen aber unglaublich mag und bisher war es ohne Ausnahme so, dass man mir das offenbar abgenommen hat und auf einmal wie ausgewechselt war - auf eine ganz extreme Art und Weise.
Mit dem Staat ist das eben auch so eine Sache: Bei der Polizei muss man eine gewisse Demut zeigen - dann passiert nichts. Alles andere kostet. Ein Beispiel: Vor der "Winterpause" habe ich letzte Woche mein "Sommerauto" geputzt und wollte es zu meinem Schwiegervater in eine Halle fahren und dort aufbocken. Auf dem Weg dahin (rund 5km) war stand ich auf einer gut ausgebauten Strasse (N91) ausserorts an der Ampel. Niemand hinter mir, niemand vor mir. Ein Auto kam von links. Da dachte ich: Noch ein letztes Mal ein wenig Feuer geben (mache ich sehr selten!). Also Launch Control rein, auf den Motor warten, Fuss von der Bremse und ab geht er. Nach vielleicht 5 Sekunden sah ich, dass der von links kommende Wagen unterdessen ein Blaulicht auf dem Dach hatte und verzweifelt versuchte mir zu folgen. Habe dann angehalten und hatte nichts dabei: Keinen Führerschein (habe auch keinen EU Führerschein), kein Ausweis, kein Geld. Nur die Fahrzeugpapiere eine Schweizer Fahrzeugs. Sie erklärten mir, dass ich zu schnell gefahren sei und das Auto zu laut sei (wobei das so Original vom Werk ist). Ich habe mich artig bedankt, dass sie mich darauf hingewiesen haben. Und ich habe ihnen gesagt, dass es mir natürlich sehr leid tut. Dass ich keine Papiere habe war erstmal kein Thema, aber ich rechnete jetzt mit einem riesen Bürokratietheater. Aber nichts. Sie gingen um das Auto, "inspizierten" alles. Fragten, ob sie den Motor starten dürfen, gaben ein paar Mal Gas und hörten sich das "Fachmännisch" an. Dann gab´s ein internationales "Super Auto" und nochmal die Ermahnung wegen der Geschwindigkeit. Ich wartete noch immer auf die Busse (in der Schweiz wäre der Lappen vermutlich weggewesen), aber nichts. Stattdessen kam wohl am Samstag ein Polizist privat zu meinem Schwiegervater in die Arbeit und erzählte ihm, dass er mich kontrolliert habe. Läuft eben alles etwas anders..
Vorletztes Wochenende war ich in Warschau und hab mir unter anderem den Gerichtshof und zwei Ausstellungen angeschaut. Wenn ich da mit Polen ins Gespräch komme (unterdessen immer öfter auf polnisch worauf ich mehr und mehr stolz bin) können die sich gar nicht vorstellen, dass man aus Deutschland oder der Schweiz kommt und nun in Polen lebt. Man wird sofort gefragt wie lange man noch bleibt. Und man führt sofort politische Diskussionen, die ich möglichst versuche zu vermeiden.
[size=10]Die Auswanderer nach Polen sind ein ganz spezieller Schlag - vollkommen anders als ich es in der Schweiz, den Niederlanden oder den USA erlebt habe. Ein Grossteil kommt ein Rentner, der andere Push-Faktor getrieben und wird dann vermutlich bald wieder weg sein (das kenne ich schon aus der Schweiz). Wirkliche Arbeitsmigration aus den EU Ländern gibt es kaum. Diese findet primär aus der Ukraine oder Weissrussland statt. Dazu dann noch die Rückwanderer mit einem extremen Deutschland-Hass aber deutschem Pass.[/size]
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[size=10]Ein komplexes Thema...[/size]